
Vertikalpass
·30. April 2025
Breaking Bad Cannstatt

Vertikalpass
·30. April 2025
Noch vor wenigen Monaten war die Welt in Bad Cannstatt in Ordnung. Der VfB Stuttgart feierte Highlights in der Champions League, spielte eine mehr als ordentliche Hinrunde und lag am 18. Spieltag auf Platz vier. Die Spielweise nicht ganz so begeisternd wie in der Vizemeister-Saison, aber doch weiterhin fluide, mutig und dominant. Es schien so, als ob der VfB seine herausragenden Leistungen bestätigen könne.
Doch nach dem Ausscheiden aus der Champions League gegen Paris St. Germain ging es bergab. Die Rückrunde liest sich wie ein Kapitel, das man am liebsten überspringen möchte: 12 Punkte aus 14 Spielen, sechs Heimniederlagen in Folge – Vereinsnegativrekord. Aus einer Mannschaft, die erneut auf dem Weg nach Europa schien, ist ein Team geworden, das ohne Führerschein oder zumindest mit angezogener Handbremse in die wichtigsten Wochen der Saison fährt.
„Breaking Bad Cannstatt“ – das trifft es sehr gut.
Es ist etwas verrutscht, der VfB ist vom rechten Weg abgekommen. Vor allem das, was ihn so stark gemacht hat: Die Spielfreude, das Finden von Freiräumen, ein gewisses Tempo, das vertikale Passspiel, das saubere Positionsspiel – es ist nur noch teilweise erkennbar. Spieler wie Chris Führich, Ata Karazor und Jamie Leweling wirken gehemmt, überspielt, formschwach. Wenn ihre Leistungen in der letzten Saison nicht sogar ein einmaliger Ausschlag nach oben waren. Wirklich in Form sind eigentlich nur Maxi Mittelstädt und Nick Woltemade – der irritierenderweise gegen Heidenheim zunächst auf der Bank Platz nehmen musste.
Auch strukturell hat sich das Gesicht der Mannschaft verändert. Mit Konsequenzen für das Spielsystem.
Die Leistungsträger Hiroki Ito, Waldemar Anton oder Serhou Guirassy verließen den VfB und wurden hinsichtlich des Spielerprofis nicht entsprechend ersetzt. Ermedin Demirovic und Jeff Chabot haben ihre Qualitäten, sind aber komplett andere Spielertypen. Finn Jeltsch ist dazu gekommen und wird in Zukunft ein absoluter Unterschiedsspieler sein. Ein kommender Nationalspieler, aber er braucht Zeit. Die ebenso Ameen Al-Dakhil benötigt, auch wenn man befürchten muss, dass er aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit sehr selten stabil spielen wird. In der Summe hat der VfB einen Teil seines sportlichen Fundaments verloren, auch weil Spieler wie Yannik Keitel, Fabian Rieder und Enzo Millot über weite Strecken der Saison ihren Platz faktisch beziehungsweise spieltaktisch in der Formation nicht gefunden haben.
Mittlerweile ist auch so, dass alle Selbstverständlichkeiten verloren gegangen sind. Das Selbstvertrauen schwindet mit jedem Fehlschuss, besonders Demirovic ist das förmlich anzusehen. Es ist wirklich „breaking bad” – die Überzeugung ist nicht mehr vorhanden, jeden Gegner auseinander spielen zu können, jeden Zweikampf gewinnen und jeden Ball zurückerobern zu können.
Und doch steht Stuttgart vor einem historischen Erfolg mit dem Einzug ins Pokalfinale gegen Bielefeld. Die erste Titelchance seit 2007. Niemand sollte so tun, als ob man „den Pokal schon holen“ würde. Zuversicht, ja. Begeisterung, unbedingt. Aber auch Ernsthaftigkeit.
Der VfB braucht die letzten drei Spiele, um sich zu stabilisieren, um in den Rhythmus zu kommen und Selbstvertrauen zu tanken. Die Eigendynamik des Negativlaufs muss gestoppt werden. Die Mannschaft muss Spannung aufbauen und sich wieder an die Spielprinzipien erinnern – die nicht nur aus vielen Pässen und schönem Spiel bestehen, sondern dass dazu auch Intensität, Haltung, Leidensfähigkeit, Geschwindigkeit sowie Flexibilität in Beinen und im Kopf gehören.
Sebastian Hoeneß sollte weiterhin nicht alles gut finden, dafür ist das Auftreten des Teams seit Wochen wirklich alles andere als gut. Sondern er sollte mehr Klartext sprechen, er sollte Lösungen finden und sie seinen Spielern an die Hand geben, um nicht beim Saisonhöhepunkt der Mannschaft zwar wieder keinen Vorwurf machen zu wollen, aber das Finale verloren zu haben.
Sonst wird Berlin kein krönender Saison-Abschluss, sondern wirklich bad.