90min
·12. Dezember 2024
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·12. Dezember 2024
Der Ball prallt direkt vor die Füße von Cora Zicai, und die Nummer 28 lässt sich nicht lange bitten: Ball mit links vorgelegt, ein großer Schritt, und dann fliegt die Kugel aus 20 Metern aufs Tor, dreht sich ins rechte Eck, und Tor. Hinter dem Kasten explodiert der Jubel der Freiburger Fans: Sie haben gerade den Anschlusstreffer zum 1:2 im DFB-Pokal gegen Bayern gesehen.
Es läuft die 62. Minute, und Cora Zicai hat der Nordtribüne des Dreisamstadions nochmal Hoffnung auf das Weiterkommen gegeben. Am Ende reicht es nicht für einen Freiburger Sieg, aber der Schlenzer aus der Distanz zeigt dennoch, wie gut Cora Zicai gerade drauf ist.
Für sie war das Tor ganz besonders, wie sie im 90min-Gespräch als Spielerin des Monats November erzählt: Im Bayern-Kasten stand nämlich eine ihrer besten Freundinnen, Ena Mahmutovic. Und die gab sich vor dem Spiel schon selbstbewusst: "Für Bayern war es eine absolute Pflichtaufgabe, gegen uns zu gewinnen. Mit der Einstellung hat sie mich auch zugelabert", erzählt Zicai. Aber dann kam die Revanche: "Ich meinte, sie soll mal nicht so frech reden, weil ich ihr sonst noch einen reinknallen werde. Daher war's umso schöner, dass ich ihr wenigstens das noch verpassen konnte", lacht sie.
Mit Mahmutovic konnte die 20-Jährige kurz darauf noch ein weiteres besonderes Erlebnis feiern: Beide gaben vor Kurzem ihre Debüts im DFB-Nationalteam. Zicai wurde beim Testspiel gegen die Schweiz nach der Halbzeit eingewechselt, die Nervosität war groß: "So ein Gefühl hatte ich noch nie", sagt sie zu den Minuten, bevor sie den Platz betrat.
Dort war von Nervosität nichts zu sehen: Zicai glänzte mit einer Vorlage und einem Tor bei ihrer Premiere, durfte sich nach dem Spiel gebührend feiern lassen, denn sie war nicht nur Debütantin, sondern auch Geburtstagskind. "Es gibt zwei Persönlichkeiten von mir“, sagt Zicai: In neuen Situationen sei sie erstmal zurückhaltend, aber auf dem Platz komplett auf sich fokussiert.
Ihr DFB-Debüt war nur das Sahnehäubchen auf einen starken Monat. Zicai konnte zudem mit Freiburg den Bayern in der Frauen-Bundesliga einen Punkt abringen, schoss im Pokal ihr Traumtor, und steht in der Liga nach acht Spielen schon bei fünf Toren - bereits jetzt ihre Bestmarke. Im Sommer spielte sie noch die U20-WM und glänzte dort mit drei Treffern und drei Assists. Seit dieser Saison ist sie bei Freiburg unangefochtene Stammspielerin.
Dem Verein ist sie schon lange verbunden: Zicai kam 2017 als Jugendspielerin zum SC Freiburg, kommt selbst auch aus der Stadt. Ein waschechtes Eigengewächs, und längst auch ein Aushängeschild für die starke Nachwuchsarbeit des Klubs. Vier Jahre später gab sie ihr Debüt und wurde bald darauf die jüngste Bundesliga-Torschützin des Sport-Clubs. Damit trat sie in große Fußstapfen - zuvor hatte Giulia Gwinn diesen Titel inne.
Ein steiler Aufstieg, aber seitdem erlebte Zicai auch schwere Phasen. Linear nach oben ging es nicht, stattdessen wechselten Entwicklungssprünge sich mit Monaten ab, in denen sie wenig spielte. „Es war frustrierend für mich, dass ich nicht das auf den Platz bringen konnte, was ich kann“, sagt Zicai. Gerade mental war es eine Herausforderung, hinter den eigenen Zielen zurückzubleiben. "In manchen Phasen läuft es auch im Training nicht, man versucht viel, aber ist in einem Teufelskreis gefangen", blickt sie zurück.
Inzwischen habe sie aber akzeptiert, dass das als junge Spielerin ganz normal sei. Auch ihre aktuellen Leistungen kann die 20-Jährige daher gut einordnen: "Ich bin mir sicher, dass ich jetzt einen Lauf habe, aber dass es auch in Zukunft wieder weniger gut laufen wird."
Für die Zukunft hat Zicai große Träume. "Ich lebe nach Träumen", sagt sie, und einige davon konnte sie schon verwirklichen. Andere stehen noch aus. Zicai steht vor wichtigen Entscheidungen: Zum Ende der Saison läuft ihr Saison in Freiburg aus, der SC würde das Aushängeschild sicher gerne halten, aber die Konkurrenz ist groß. Bayern, Wolfsburg, Frankfurt und internationale Vereine, alle sollen an Zicai interessiert sein.
Die 20-Jährige will sich heute noch nicht festlegen, aber hat klare Ziele im Blick. Am Ende ihrer Karriere würde sie am liebsten mal in England gespielt haben, und beim FC Barcelona, von dem sie schon als Kind Fan war. Falls sie das geschafft hat, wird wohl auch ihr drittes Karriereziel - Titel gewinnen - abgehakt sein.
Um auch diese Träume zu verwirklichen, arbeitet Zicai hart, hebt ihre Mentalität als eine ihrer Stärken heraus. "Ich suche immer nach Fehlern, damit ich das Beste aus mir herauskitzeln kann, an den kleinsten Details feilen kann, sodass ich hoffentlich eines Tages eine große Spielerin sein kann", sagt sie.
Eine große Spielerin - auf dem Papier ist sie das mit 1,76 Metern schon, aber Zicai will ihre Zweikampfstärke weiter verbessern, im Eins-gegen-Eins noch effektiver werden. Vorbilder sind für sie dabei Jule Brand und Caroline Graham Hansen.
Jule Brand: Von ihr hat sich Cora Zicai einiges abgeschaut / Alex Grimm/GettyImages
Ihre Mentalität, sagt Zicai, wurde ihr schon als Kind mitgegeben. "Meine Mutter hat Fünfkampf gemacht. Sie kommt aus Bulgarien und hat daher noch eine ganz andere Mentalität. Von klein auf haben Disziplin und Durchhaltevermögen bei mir eine große Rolle gespielt", erzählt sie. "Das war für mich nicht immer ganz einfach, manchmal war der Druck ein bisschen viel."
Heute ist Zicai aber dankbar dafür. "Viele Dinge, die andere Menschen als anstrengend ansehen, mache ich ultra gerne", sagt sie. Um besser zu werden, schiebt sie Extraschichten auf dem Platz, achtet auf ihre Ernährung und Regeneration und hat mentales Coaching.
Aktuell liegt viel Aufmerksamkeit auf Zicai, überall Interviews, überall Schlagzeilen. „Ich versuche, das Ganze nicht zu nah an mich heranzulassen", sagt sie. Aber so ganz wird der Druck nie verschwinden. "Druck ist immer da, wenn man überzeugt ist, Ziele zu erreichen." Und das ist Cora Zicai auf jeden Fall.