Österreichische Fußball-Bundesliga
·9. Februar 2023
Österreichische Fußball-Bundesliga
·9. Februar 2023
9. Februar 2023 in 2. Liga
Andreas Ivanschitz hat in der Winterpause die Nachfolge von Markus Katzer als Sportdirektor des First Vienna FC 1894 angetreten. Im Interview verrät der Ex-ÖFB-Teamkapitän, was ihn an der Aufgabe bei den Döblingern besonders gereizt hat, welchen Weg er mit Österreichs ältestem Fußballverein einschlagen will und welches Verhältnis er zu seinem ehemaligen Klub Rapid hat.
2. Liga-Journal: Schon eingelebt in die neue Arbeitswelt?Andreas Ivanschitz: Ja, wie man sich vorstellen kann, sind gleich mal viele Themen gleichzeitig abzuarbeiten. Ich gehe da klar strukturiert und Schritt für Schritt an die Sachen heran. Es geht auf der einen Seite um strategische Dinge, ich versuche aber auch, einige persönliche Gespräche zu führen. Parallel dazu muss man sich auch einmal orientieren und zurechtfinden. Ich starte ja quasi mit einer Transferperiode, zudem stehen bei ein paar Spielern Vertragsgespräche an, dementsprechend könnte der Tag ein bisschen länger sein.
2020 wurden Sie als Ausbildungsmanager und Nachwuchskoordinator nach Döbling gelotst. Wo liegen die größten Unterschiede zu Ihrer neuen Position?Im Nachwuchsbereich ist vieles unter dem Radar, wir haben dort aber in den vergangenen Jahren schon auch ziemlich Gas gegeben. Ich musste Strukturen (Trainerauswahl, Spielphilosophie) schaffen und überlegen, wie man ein gutes Verhältnis zwischen Eltern, Trainern, Spielern und Klub aufbaut. Da konnte ich gute Erfahrungen sammeln. Jetzt spielt sich meine Arbeit auf einer Ebene ab, wo man mehr im Mittelpunkt steht und die eine noch höhere Wertigkeit hat, weil die Kampfmannschaft nun einmal die Mannschaft ist, nach der sich vieles orientiert. Für mich ist es eine Position, die ich bislang nur von der anderen Seite gekannt habe. Ich hatte als Spieler mit vielen Sportdirektoren zu tun und weiß auch, dass ich diese Erfahrung im Umgang miteinander sicher nutzen kann und nutzen werde. Da wird mir auch meine Karriere im Ausland sicher helfen.
Was hat Sie in den ersten Wochen besonders überrascht?Man merkt, dass der Job einer ist, wo man gefragter ist, wo auch Entscheidungen getroffen werden müssen, in denen man die erste Ansprechperson ist.
Wie beurteilen Sie die Arbeit Ihres Vorgängers Markus Katzer?In der Zusammenarbeit hat mir der offene Austausch gefallen, er hat zugehört, auf der anderen Seite konnte er sich auch immer auf mich verlassen. Wir haben sportlich auf einer Wellenlänge gearbeitet. Ihm hat es gut gefallen, was wir im Nachwuchsbereich implementiert haben. Wir haben uns auch oft über die Kampfmannschaft ausgetauscht. Ich habe fast alle Heimspiele der Kampfmannschaft gesehen, war da also nah dran. Wir hatten dasselbe Büro. Das alles hilft mir, weil ich weiß, in welche Richtung er gedacht hat, wie seine nächsten Schritte gewesen wären, das hilft mir in der Anfangszeit. Aber mit der Zeit werde ich sicher auch meine eigenen Ideen umsetzen. Fakt ist: Ich will den Weg, den Markus vorbereitetet und entwickelt hat, weitergehen. Dazu gehören: Die Entwicklung des Vereins, wo der Verein in ein paar Jahren hin will und wie er sich dann sieht.
Experten schätzen Ihre höflichen Umgangsformen. Sie gelten als der Alexander Wurz des Fußballs. Die Funktion des Sportdirektors wird oft mit einem Haifischbecken verglichen, weil da oft auch sehr raue Töne herrschen. Haben Sie Angst, dem womöglich nicht gewachsen zu sein? Grundsätzlich ist das meine Persönlichkeit, wie ich erzogen wurde und wie ich denke. Ich erwarte auch, dass mit mir so umgegangen wird. Ich glaube, dass ich diese Empathie habe, wenn mir jemand gegenübersitzt, dass ich zuhöre und höflich bin. Aber jeder, der mich ein wenig näher kennt, weiß auch, dass ich eine klare Linie und eine klare Meinung habe. Und diese dann auch so kommuniziere – und das ist nicht immer freundlich. Das muss eine gesunde Mischung sein. Natürlich, der Job ist neu und so naiv bin ich nicht, dass ich glaube, dass ich alles sofort wie aus dem Effeff beherrschen werde. Ich bin sehr lernwillig, ich bin lernbereit, es ist auch für mich ein Prozess in meiner Persönlichkeitsentwicklung. Alles, was ich bereits erlebt habe in meiner Karriere wird mir helfen. Wichtig wird sein, welches Team ich um mich habe. Jeden, der im Verein etwas zu tun hat, kenne ich. Und alle kennen mich. So gesehen wird es da keine Überraschungen geben.
Wieso haben Sie sich 2020 für die Vienna entschieden?Das war ein Nachhausekommen nach meiner langen Karriere im Ausland. Natürlich versucht man, da wieder anzudocken. Das war gar nicht so einfach, weil ich 13 Jahre am Stück im Ausland war und wenn man da glaubt, es ist alles so wie früher, dann täuscht man sich. Ich habe irgendwann einmal meine Kontakte und Netzwerke wieder angeworfen, da war auch ein Anruf bei Markus Katzer dabei. Ich habe für meinen Sohn und meine Tochter, die beide sehr gerne Fußball spielen, einen Verein gesucht. Markus wollte mir das Projekt Vienna näher zeigen und empfahl mir, meine Kinder auf die Hohe Warte zu bringen. Ich war fortan sehr oft da und habe viele Gespräche mit ihm geführt. Das war dann natürlich auch dem Verein bekannt, dass ich da bin und dann kam über Präsident Kurt Svoboda das Angebot, mich an den Verein zu binden. Mir ist sofort aufgefallen, dass der Verein sehr ambitioniert arbeitet, was mir extrem getaugt hat. Für mich ist die Vienna ein Verein, der natürlich eine Historie hat, aber sich trotzdem neu entwickeln möchte. Der Verein will sein eigenes Buch neu schreiben und zurück an die Spitze. Das habe ich spannend gefunden. Die Sympathie, die der Verein in der Öffentlichkeit hat, führt dazu, dass viele Fans sagen, dass sie gerne auf die Hohe Warte kommen, auch, wenn sie ein bisschen Rapid- oder Austria-Fans sind und sich hier trotzdem wohlfühlen. Das ist für mich was Besonderes und das kann in den nächsten Jahren eine unglaubliche Kraft und Stärke des Vereins sein.
Ihr Stern ist seinerzeit bei Rapid aufgegangen, wo Sie zwischen 1999 und 2006 sehr erfolgreich waren. Welchen Stellenwert hat Grün-Weiß für Sie noch?Ich habe damals schon gesagt, als ich 2006 zu Salzburg gegangen bin, dass ich, egal bei welchen Klubs ich noch tätig sein werde, diese Dankbarkeit und Wertschätzung nie vergessen werde, die mir seinerzeit in Hütteldorf entgegengebracht wurde. Daran wird sich nie was ändern. Ich bin als 13-Jähriger nach Wien gekommen und habe mit Rapid eine Plattform bekommen, ohne die nie eine internationale Karriere möglich gewesen wäre. Für jeden Fußballer ist die erste Profistation immer was Besonderes. Das heißt jetzt nicht, dass ich mir jedes Heimspiel von Rapid ansehen werde, weil für mich jetzt natürlich die Vienna oberste Priorität hat. Aber ich habe mich bisher immer wohlgefühlt, wenn ich als Zuschauer ins Allianz-Stadion gekommen bin.
Ihre sportlichen Ziele mit der Vienna?Der Fahrplan „Vienna 2026“ gilt weiterhin. Dabei geht es auf der einen Seite um die Themen Nachhaltigkeit und Infrastruktur - sprich der Vienna-Campus mit Trainingszentrum in der Spielmanngasse, also Profis und Nachwuchs unter einem Dach. Auf der anderen Seite geht es um den schrittweisen Weg zurück in die Bundesliga auf sportlicher Ebene. Und da ist die Hohe Warte das Zentrum. Denn wenn wir einmal den Weg in die Bundesliga schaffen, wollen wir auch hier unsere Spiele austragen und nicht auswandern. Mir ist es wichtig, diesem Weg treu zu bleiben. Also dass man nicht versucht, etwas schnell und voreilig zu machen, sondern mit Struktur. Wir alle – vom Präsidium bis zur Geschäftsführung – wollen die Vienna wieder zurück an die Spitze bringen, aber das geht meiner Meinung nach nur, wenn man das gesamte Drumherum parallel hochzieht und mit Bedacht aufbaut. Wir wollen auch in die Richtung gehen, eine gute Ausbildungsplattform für Spieler zu werden. Das sind Werte, die man sich beibehalten muss, auch dann, wenn man tatsächlich einmal an der Spitze angelangt ist. Ich weiß natürlich, dass ich als Sportdirektor diese Werte vorleben muss.
Seit dem Zwangsabstieg 2017 in die 2. Landesliga wurde - auch dank Hauptsponsor UNIQA und dem Engagement von IMMOunited - ein solides Fundament geschaffen. Für welche Philosophie steht die Vienna? Welche Rolle nimmt der Nachwuchs ein?Wir sehen uns als Ausbildungsverein. Wir haben das klare Ziel, dass die Vienna erfolgreich Fußball spielt, aber das auch mit jungen Talenten tut. Das ist natürlich eine Herausforderung. Entsprechend muss auch in der Ausbildung mit den Burschen und Mädchen täglich gut gearbeitet werden. Mit dem Campus (aktuell Phase 1 - Umbau) sind wir wirklich schon eine Stufe weiter. Die Endausbaustufe sieht vier Plätze (derzeit drei) plus ein Funktionsgebäude vor. Wenn das einmal steht, wird es richtig interessant.
Wie viele Nachwuchsspieler hat die Vienna aktuell?Um die 300 Nachwuchsspieler. Worauf wir besonders stolz sind: Wir haben eine komplette Frauen- und Herrenabteilung. Das muss man sich vor Augen halten, das ist administrativ bzw. organisatorisch keine Kleinigkeit. Von der U7 bis zur U18 haben wir bei den Burschen 11 Mannschaften, bei den Mädchen vier. Alles in einer strukturierten Wochenplanung bei drei Kunstrasenplätzen. Wir haben einen Rhythmus gefunden, wo alle eine tolle Ausbildung und gute Trainingsmöglichkeiten bekommen. Die Wertschätzung für unseren Campus ist in der gesamten Stadt sichtbar. Das hat den Verein weitergebracht.
Welche Rolle will die Vienna im Wiener Fußball einnehmen? Konstant die Nummer drei hinter Rapid und Austria?Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Vereinen wie Rapid und Austria irgendwann einmal nahekommen oder ärgern können. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Das ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir das erreichen können, wenn wir weiterhin gute Arbeit leisten und wir uns selbst in unserem Tun treu bleiben. Dafür müssen wir uns auch immer wieder gegenseitig pushen und auch vieles immer wieder hinterfragen.
Wo sehen Sie die Vienna in fünf Jahren?In der Bundesliga. Ich glaube, dass wir schon gewisse Dinge richtig einschätzen können. Manches wird schnell gehen, es werden aber auch Rückschläge kommen. Der Nachwuchs ist unsere Basis, dieser Weg ist klar definiert.
Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus?Die ist jetzt einmal hier bei der Vienna.
Wie lange?So lange es passt und der Verein mich will. Der Vertrag läuft vorerst einmal bis 2025.
Redakteur: Franz Hollauf