FC Bayern: Drei Erkenntnisse aus der ersten Saison von Vincent Kompany | OneFootball

FC Bayern: Drei Erkenntnisse aus der ersten Saison von Vincent Kompany | OneFootball

Icon: Miasanrot

Miasanrot

·5. Mai 2025

FC Bayern: Drei Erkenntnisse aus der ersten Saison von Vincent Kompany

Artikelbild:FC Bayern: Drei Erkenntnisse aus der ersten Saison von Vincent Kompany

Der FC Bayern München ist Deutscher Meister – aber reicht das? Drei Erkenntnisse aus der ersten Saison unter Vincent Kompany.

Artikelbild:FC Bayern: Drei Erkenntnisse aus der ersten Saison von Vincent Kompany

„Jetzt geht das Elend wieder von vorne los“, lautete der Titel eines Artikels von Journalist Oliver Fritsch bei der Zeit. Wäre man gemein, könnte man die Überschrift auch in die andere Richtung umdeuten: Jetzt geht das Gejammer über die Bayern-Dominanz wieder los.


OneFootball Videos


Dem Meinungsstück unterliegt der Ton, dass die Konkurrenz hauptverantwortlich dafür sei, dass die Bayern in dieser Saison mit keiner überragenden, aber einer routinemäßigen Leistung durch die Bundesliga marschiert sind – und das am Ende eben ausreicht.

Der Ausblick: Dystopisch für alle, die es nicht mit dem FCB halten. Eine neue Meisterserie droht, weil woanders wenig vorangeht. Mit Lob an den Bayern hält sich Fritsch hingegen bedeckt. Doch hätten die nicht mehr davon verdient? Hier kommen drei Erkenntnisse aus der Saison – mit Fokus auf die Bundesliga.

FC Bayern unter Vincent Kompany: Beeindruckend leistungsstabil

Was im genannten Artikel fast schon abfällig als „Routine“ abgetan wird, ist etwas, was unter Julian Nagelsmann, Thomas Tuchel und selbst in der einzigen kompletten Saison unter Hansi Flick nicht so richtig gelingen wollte. Die Bayern haben über die gesamte Saison hinweg ein hohes Grundniveau gezeigt.

Sie waren dabei so leistungsstabil, wie man es unter den Umständen in der Rückrunde eben sein konnte. Auf kleine Rückschläge folgten in den meisten Fällen klare Reaktionen. So antwortete man in der Liga auf das unglückliche 3:3 in Frankfurt mit einem 4:0 gegen den VfB Stuttgart. Nach der 1:2-Niederlage in Mainz gab es einen 5:1-Sieg gegen Leipzig. Auch auf das dürftige 0:0 in Leverkusen gab es mit dem 4:0 gegen Frankfurt eine passende Antwort.

Insgesamt kassierte man bisher erst zwei Niederlagen. Es fehlt noch ein Sieg aus zwei Spielen für das zweitbeste Bundesliga-Ergebnis seit 2018. Gewinnt man beide Spiele, gleicht man die 82 Punkte aus der Triple-Saison 2019/20 aus. Bedenkt man, dass Kompany mit Michael Olise nur einen wirklich funktionierenden Neuzugang hatte, sonst aber auf die Spieler angewiesen war, denen zuvor vielerorts unterstellt wurde, sie wären untrainierbar, ist das schon jetzt ein sehr respektables Ergebnis.

Zumal es einfach ist, den Finger auf Leverkusens aktuelle Situation zu zeigen und zu behaupten, sie wären nicht mehr gut genug. Rund um das 0:0 der beiden Titelanwärter Mitte Februar entstand in Deutschland eine Stimmung, die von einem spannenden Titelrennen bis zum Schluss ausging. Die Werkself kam damals aus einer Serie mit elf ungeschlagenen Spielen, darunter neun Siege.

Oft sind es kleine Momente, die einen Saisonverlauf maßgeblich mitentscheiden. Was ist beispielsweise, wenn Florian Wirtz seine Riesenchance in Wolfsburg kurz vor dem Ende zum späten Siegtreffer nutzt? Was, wenn Leverkusen eine der zahlreichen Chancen gegen den FC Bayern nutzt? Gut möglich, dass dann eine Dynamik innerhalb des Teams entstanden wäre, die sie zu einem weiteren Titel getragen hätte.

Die Bayern aber reagierten auf jeden Hoffnungsschimmer mit ihrer größten Stärke: Stabilität. Auch von den Wacklern gegen Bochum und Union ließ man sich nicht beeindrucken. Leverkusen glaubte von Woche zu Woche spürbar weniger an sich. Das ist vielleicht der größte Unterschied zur Vorsaison, als sie viele Spiele kurz vor Schluss noch entscheiden konnten. Damals brachen sie damit den FC Bayern im Endspurt. Diesmal lief es andersherum.

FC Bayern: Abwehr nicht immer meisterlich

Natürlich ist der FC Bayern immer noch weit entfernt von der Dominanz, die man in den meisten Spielzeiten der 2010er Jahre ausstrahlte. Verwunderlich ist das allerdings nicht. Dafür war der Trend in den vergangenen Jahren zu eindeutig. Kompany bekam – vielleicht auch wegen seiner recht späten Anstellung – nur drei Neuzugänge. Einer fiel die meiste Zeit aus, ein weiterer scheint nicht ins System zu passen und der andere überragte.

Ein personeller Umbruch sieht anders aus. Probleme, die in der Vergangenheit auf die Kaderplanung geschoben wurden, bleiben also bestehen. Am deutlichsten wurde das in der Defensive. Fehlten Alphonso Davies und/oder Dayot Upamecano, wackelte man in der Abwehr deutlich stärker. In 20 Bundesliga-Partien mit Upamecano in der Startelf kassierten die Bayern 17 Gegentore (0,85 pro Partie). In zwölf ohne ihn sind es 15 (1,25). Davies absolvierte 17 Bundesliga-Spiele von Anfang an, in denen man 14 Gegentore hinnehmen musste (0,82). Ohne ihn: 15 Spiele, 18 Gegentore (1,20).

Artikelbild:FC Bayern: Drei Erkenntnisse aus der ersten Saison von Vincent Kompany

Und auch der laufende Vier-Spiele-Trend bei den Expected Goals (via FBref) ist durchaus interessant: In der Rückrunde stieg die Kurve dauerhaft auf ein Niveau von knapp unter, kurzzeitig auch mal knapp über 1,00 erwartete Gegentore. Bedeutet: Die Bayern haben in der Rückrunde deutlich mehr zugelassen.

Es gibt daraus mehrere mögliche Schlussfolgerungen. Neben der personellen Situation, die vor allem die Breite in der individuellen Qualität betrifft, wird auch das Trainerteam bei der taktischen Ausrichtung wohl nochmal justieren müssen. Während das Angriffspressing im ersten Saisondrittel deutlich aggressiver, zielstrebiger und auch effektiver war, stellt sich die Frage, ob dieser Aufwand über eine Saison nicht aufrechtzuerhalten wäre – und Kompany womöglich deshalb gegensteuerte.

Denn vor allem in der Rückrunde lief das hohe Pressing – wenn auch auf hohem Niveau – zu oft ins Leere, man kam die berühmten zwei, drei Schritte zu spät und ließ sich anschließend überrumpeln. Sollte das eine Kraftfrage sein, braucht es entweder mehr Rotationsoptionen oder einen noch besseren Plan B.

Wie viel Offensive steckt im Abwehrtstrend

Beim Blick auf den laufenden Trend in der Bundesliga fällt aber auch auf, dass man offensiv einigermaßen konstant war. Mit Spitzen in Richtung der 3,00 Expected Goals – kurzzeitig sogar darüber. Wobei „offensiv“ hier stark eingeschränkt werden muss. Die Bayern haben in der Tat relativ konstant agiert, wenn es um das Herausspielen hoher xG-Werte geht.

In den ersten 15 Bundesliga-Spielen kam man auf 2,31 xG pro 90 Minuten. Nach dem Jahreswechsel erhöhte sich der Schnitt sogar auf 2,55 xG. Allerdings gibt es eine große Diskrepanz bei der Torerzielung. Denn obwohl man in der Rückrunde durchschnittlich einen höheren xG-Wert hat, hat man deutlich weniger Tore erzielt. In den 15 ersten Spielen dieser Saison traf man beeindruckende 47-mal aus 34,7 xG – das sind 3,13 Tore pro Partie. In den darauffolgenden 17 Spielen reichte es „nur“ noch zu 46 Toren aus 43,3 xG – 2,71 Tore pro Partie.

Eine oberflächliche Schlussfolgerung aus diesen Zahlen wäre, dass die Bayern ihre Chancen in der Rückrunde nicht ausreichend genutzt haben. Allerdings ist die in der Hinrunde gezeigte Überperformance der xG von 135 Prozent eher die Ausnahme als die Regel. Leverkusen kam in der herausragenden Meistersaison auf 121 Prozent, Bayerns letzte Saisonwerte waren: 110, 122, 109, 130, 111, 103 und 121 Prozent. Eine Regression nach unten war zu erwarten, wenngleich 106 Prozent in der Rückrunde immer noch ausbaufähig sind.

Die viel größere und entscheidendere Frage ist aber, wie man den xG-Wert generell nochmal anheben kann. Der befindet sich mit durchschnittlich 2,43 pro Spiel zwar auf einem guten Niveau, könnte aber angesichts der Offensivkraft, der man diesem Team bei der Herangehensweise unter Kompany unterstellen würde, noch etwas höher sein.

Denn auch das wird für die defensive Stabilität in Zukunft wichtig sein: Spiele werden auch dadurch entschieden, dass ein Team im richtigen Moment ein Tor erzielt. Gelingen in der Anfangsphase aus 0,7 xG drei Tore, ist es in der Regel nicht mehr so wichtig, wie viele Tore aus den restlichen 2,2 xG bis zum Abpfiff entstehen. Hier können die Bayern noch deutlich besser werden. Kann so manches Spiel früher entschieden werden, hilft das nicht nur der Defensive, sondern auch dem Umgang mit der eigenen Kraft.

FC Bayern: Kompany sorgt für Spaß, Identität und Einheit

Viel wichtiger als Zahlen, Punkte und selbst wichtiger als Titel ist aber eines: Kompany hat den Spaß am Fußball zurückgebracht. Das gilt in erster Linie für die Spieler, die wieder Lust haben, im Trikot des FC Bayern anzugreifen und sich nicht zu sehr damit befassen zu müssen, ob das jetzt zu viel Risiko sein könnte.

Unbeeindruckt von allen Debatten zogen die Münchner – mit einigen Detailanpassungen – ihren Fußball durch und sorgten in vielen Fällen für das, wofür die Fans ins Stadion gehen: Unterhaltung. Über die gesamte Saison hinweg gab es nur ein 0:0 – in allen Wettbewerben. Es gab darunter auch mal Spektakel, die man objektiv in München ungern sieht. So das 3:3 in Frankfurt oder auch das 3:3 jüngst in Leipzig. Man geriet auch mal unter die Räder wie beim 1:4 in Barcelona. Allerdings gewannen die Bayern gegen einige Gegner auch sehr deutlich – darunter Leverkusen in der Champions League.

Klammert man jeglichen verbissenen Blick auf Titel mal aus, macht dieser FC Bayern wieder Spaß. Er vermittelt das, worum es vielleicht nicht in erster Linie bei einem Wirtschaftsunternehmen geht, worum es uns als Beobachter*innen und Fans aber gehen sollte: Freude und Lust darauf, neue Wege zu gehen. Mit den Verletzungen und der zunehmenden Ermüdung in der Rückrunde nahm auch das verständlicherweise etwas ab.

Aber Kompany hat es geschafft, dem Team wieder eine klare Identität und Handschrift zu vermitteln. Eine, die zum Team passt und auch zum Club selbst. Mit seiner bodenständigen und eloquenten Art einerseits und dem offenbar starken inhaltlichen Input hat er zudem für etwas gesorgt, was weder Tuchel noch Nagelsmann zuvor gelungen war: Er hat den sportlichen Bereich des FCB hinter sich vereint.

Nur so kam man auch durch die Saisonphasen, die schwieriger waren. Nur so entstand auch in den Wochen, in denen der Fußball zäher wurde, das Gefühl, dass es eine Entwicklung nach vorn geben kann, wenn diese Konstellation bestehen bleibt. Dafür müsste die Einheit aber auch über den sportlichen Bereich des FC Bayern hinaus entstehen.

Geht man im Sommer aber die richtigen Schritte, dürfte das „Elend“ tatsächlich wieder von vorn beginnen – allerdings mit einem Ausblick, der auch international wieder bessere Zeiten verspricht.

Hier weiterlesen

FC Bayern Podcast – MSR385: Die Drei-Titel-Woche des FCB

Quasi Fußballmeister, FCB! FC Bayern muss noch warten

Talente am FC Bayern-Campus: Lennart Karl und viele mehr!

Impressum des Publishers ansehen