MillernTon
·10. August 2024
MillernTon
·10. August 2024
Mit 3:0 gewinnt der FC St. Pauli das letzte Testspiel der Vorbereitung und zeigte sich dabei nach wackeliger erster Halbzeit enorm verbessert und effizient.(Titelbild: Stefan Groenveld)
Na klar, drei Punkte oder ein Weiterkommen im Pokal gibt es für diesen Erfolg nicht. Testspiele bleiben Testspiele, egal, ob der Gegner aus der Champions League oder der Kreisliga Nordtufftinghausen kommt. Ein 3:0-Erfolg gegen Atalanta Bergamo, seines Zeichens amtierender Europapokalsieger, zum Abschluss der Vorbereitung, ist trotzdem alles andere als verkehrt, um selbstbewusst in die Saison zu starten.
Die Anzeichen verdichten sich massiv, dass die Startelf des Bergamo-Spiels auch die Startelf des Pflichtspielauftakts sein wird. Denn dieselben elf Spieler fanden sich bereits beim erfolgreichen Test in Norwich zu Spielbeginn auf dem Platz ein. Damit kann man wohl hinter einige personelle Fragezeichen ein Ausrufezeichen setzen.
Angefangen beim Sturmduo, welches erneut aus Morgan Guilavogui und Johannes Eggestein bestand. Das zentrale Mittelfeld bildeten Robert Wagner, Connor Metcalfe und Jackson Irvine. Dahinter startete die bereits in der Vorsaison erfolgreiche Dreierkette mit Eric Smith, Karol Mets und Hauke Wahl. Die Außenpositionen besetzten Philipp Treu und Fin Stevens. Manolis Saliakas wurde nicht eingesetzt und dürfte mit einigem Rückstand gegenüber Stevens in die Saison starten.
Das vermeintlich größte Fragezeichen gab es wohl, neben der Besetzung der Stürmerpositionen, im Tor. Wobei man sich eingestehen muss, dass es die Torwartfrage eigentlich in jeder Sommervorbereitung gibt und am Ende dann eigentlich immer der Torhüter zwischen den Pfosten steht, den man zuvor auch die Rolle als Nummer Eins zugeschrieben hatte.
Aufstellung des FC St. Pauli im Spiel gegen Atalanta Bergamo Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Stevens, Wagner, Irvine, Metcalfe, Treu – Eggestein, Guilavogui
Als hätte es noch einer Bestätigung bedurft, dass Nikola Vasilj wirklich das Format hat, um auch in der Bundesliga das FCSP-Tor hervorragend zu verteidigen, wurde der 28-jährige in den ersten Minuten der Partie gleich mehrere Male herausgefordert. Und die These ist nicht sonderlich weit hergeholt, dass es ohne seine Paraden ein eher ernüchternder Abend für den FC St. Pauli hätte werden können. Aber der Reihe nach…
Der FC St. Pauli formierte sich in einem 3-5-2 mit Irvine als alleinigem Sechser, Metcalfe und Wagner agierten auf den Achter-Positionen. Diese Formation konnte man beim FCSP vor allem beim Spiel gegen den Ball beobachten. Allerdings – das ist ein großer Unterschied zur Spielweise unter Fabian Hürzeler – deutlich seltener in klarer Form. Denn die Arbeit gegen den Ball ist viel aktiver und aggressiver. Gegen Bergamo zog sich das Team eher selten in diese klare Formation zurück. Und wenn, dann nur, um wenige Momente später recht mutig die Gegenspieler zu attackieren.
Diese Arbeit gegen den Ball funktionierte ziemlich gut. Nur ganz selten gelang es Atalanta Bergamo, die Defensive des FC St. Pauli in Verlegenheit zu bringen, wenn diese aus ihrer Grundformation heraus gegen den Ball arbeiten konnte. Trotzdem kamen die Gäste vor allem in den ersten 30 Minuten zu einigen wirklich hochkarätigen Torabschlüssen. Ursächlich dafür waren teils haarsträubende Ballverluste im Spielaufbau des FCSP.
Bei eigenem Ballbesitz veränderte der FC St. Pauli seine Grundformation. Smith schob in den Sechserraum und bildete dort mit Irvine eine Doppelsechs. Wagner und Metcalfe bewegten sich ein gutes Stück nach vorne und fanden sich in den offensiven Halbräumen wieder. Die Schienenspieler Stevens und Treu zog es auch nach vorne, den einen (Stevens) mehr, den anderen (Treu) weniger. Diese Vorwärtsbewegungen der Schienenspieler konnte man vor allem im ersten Abschnitt klar erkennen.
Im initialen Aufbau war es dann oft ein Pass durch das Zentrum, der für Bewegung beim FC St. Pauli sorgte. Meist Eggestein, seltener Guilavogui, bewegten sich dazu gen eigenes Tor und ließen die Anspiele von Vasilj oder aus der Innenverteidigung in Richtung von Smith oder Irvine klatschen, die dann im Idealfall mit Blickrichtung zum gegnerischen Tor im Zentrum den Ball erhielten. Gab es die Pass-Option zu einem der beiden Stürmer nicht, dann spielte man meist über den Sechser den Ball auf die Außenbahn, bildete so also ein Dreieck. Das primäre Ziel war aber klar der Passweg über die Stürmer.
FCSP-Trainer Alexander Blessin zeigte sich im Anschluss an die Partie zufrieden mit der Art und Weise, wie sein Team initial den Weg nach vorne suchte: „Der Matchplan, wie wir aufbauen wollten, ging ziemlich gut auf.“ Allerdings sah er zum einem „ein paar dumme Abspielfehler“ und vermisste oft die Anschlussaktionen, wenn es dem Team gelang, den ersten Pass nach vorne erfolgreich zu spielen. Denn Bergamo, so Blessin, stand sehr hoch, sodass es viele Möglichkeiten gegeben habe, mit Tiefenläufen hinter ihre letzte Kette zu kommen.
Klar, wo mutig agiert wird, passieren auch Fehler. Der FC St. Pauli hatte bei den Pässen nach vorne gleich mehrere Male Probleme, die eigenen Mitspieler zu finden. Es gab besonders zu Spielbeginn gleich eine Reihe von Fehlpässen, die Bergamo, Vasilj sei Dank, nicht zur Führung nutzen konnte. Das Aufbauspiel durch die Mitte eröffnete für den FCSP zwar theoretisch viele Optionen, weil Bergamo über den gesamten Platz mit mannorientierter Spielweise agierte. Allerdings ergaben sich aus dieser Spieleröffnung zu Beginn eher selten vielversprechende Offensivaktionen für den FC St. Pauli, stattdessen aber Gefahr für das eigene Tor.
Aufbauvariante des FC St. Pauli im Spiel gegen Atalanta Bergamo. Bei FCSP-Ballbesitz schob Eric Smith in den Sechserraum. Die beiden Achter, Metcalfe und Wagner, bewegten sich nach vorne in die offensiven Halbräume. Die beiden Mittelstürmer, Guilavogui und Eggestein, boten sich als Anspielstationen an.
Beeindruckend war, wie es dem FCSP in der Folge gelang, diese Fehler besser zu kontrollieren und sich in diese Partie reinzuarbeiten. Jackson Irvine betonte nach Abpfiff, dass man bei diesem Spiel ganz hervorragend beobachten konnte, wie sich die Feinabstimmung der Spielidee verbesserte. Tatsächlich war es bereits gegen Ende des ersten Abschnitts so, dass die FCSP-Offensivaktionen häufiger wurden. Eine wirklich zwingende Torchance gab es zwar nicht, immerhin aber auch keine mehr für Bergamo, die in den ersten 30 Minuten mehrfach die Führung auf dem Fuß hatten.
Zu Beginn des zweiten Abschnitts gab es nur eine personelle Veränderung beim FC St. Pauli: Carlo Boukhalfa ersetzte Connor Metcalfe auf der linken Achter-Position. Eine kleine, aber wohl mitscheidende taktische Anpassung führte dann dazu, dass die Partie nun nicht nur ausgeglichener war, sondern irgendwann sogar in Richtung des FCSP ausschlug. Die Positionierung und das Verhalten der Innenverteidiger hatte sich verändert im Vergleich zum ersten Abschnitt. Insgesamt waren die Abstände zueinander dadurch nun etwas kürzer, sodass man auch bei Ballverlusten nicht mehr so direkt Gefahr lief, den Gegner zum Toreschießen einzuladen.
Dieses „Nachschieben“, das dem FC St. Pauli in der zweiten Halbzeit nach Meinung von Blessin nun besser gelang, war auch der Grund, warum nun die Offensivaktionen des FCSP zwingender wurden. Wer sich mal ein Bild davon machen möchte, was damit gemeint ist, kann sich gerne die Situation vor der Torchance von Irvine anschauen (hier ab 1:27:15).
Der FC St. Pauli war nun also etwas zwingender, was sich dann auch in Form von Toren zeigte. Keine zwei Minuten nach der ersten richtigen Chance durch Irvine erzielte Johannes Eggestein das 1:0 nach einem Standard. Ein „Dosenöffner“, wie Blessin es nach Abpfiff nannte. Es folgten noch zwei weitere Treffer innerhalb der nächsten zwölf Minuten. Besonders das 3:0 durch Boukhalfa war dabei wirklich sehenswert herausgespielt.
Sehenswert war auch, dass der FCSP rund 20 Minuten vor dem Ende seine Grundformation noch einmal anpasste. Aus einem 3-5-2 wurde mit der Einwechslung von Elias Saad und Andreas Albers ein 3-4-3. Blessin erklärte, dass er auch weiterhin „nichts in Stein meißeln“ möchte, sondern die Wahl der Formation davon abhängig machen wolle, wie die Spieler gerade drauf seien und was zum Gegner passe. Die Positionen auf den offensiven Außenbahnen nahmen dabei Afolayan und Saad ein, die beide dabei einen guten Eindruck hinterließen. Diesen hinterließ auch etwas überraschend Carlo Boukhalfa, dem viele vor Beginn der Vorbereitung sicher nicht zugetraut hätten, dass er im letzten Vorbereitungsspiel vor dem Bundesliga-Start die erste Wechseloption auf der Achterposition sein würde.
Alexander Blessin reckt den Daumen und konnte sich über einen 3:0-Erfolg des FC St. Pauli gegen Atalanta Bergamo freuen. Doch mit der ersten Halbzeit seines Teams war er alles andere als zufrieden. // (c) Stefan Groenveld
Wichtig ist, dass man bei aller Freude darüber, dass der FC St. Pauli den amtierenden Europapokalsieger mit 3:0 geschlagen hat, diesen Erfolg richtig einordnet. Zwar machte Bergamo gerade in der ersten Halbzeit nicht den Eindruck, dass sie ans Millerntor gereist sind, um sich als Sparringspartner des FCSP 90 Minuten verkloppen zu lassen. Das zeigte allein schon die Aufstellung, die durchaus mit hochkarätigen Namen besetzt war. Spätestens mit dem 1:0 des FCSP könnte aber sicher auch das Spiel am kommenden Mittwoch (Europäischer Supercup gegen Real Madrid) in den Hinterköpfen der Bergamo-Spieler einen größeren Platz eingenommen haben.
Entsprechend darf nach diesem Sieg keiner erwarten, dass beim FC St. Pauli nun die Bäume in den Himmel wachsen. Denn basierend auf der Anzahl an eigenen und gegnerischen Torchancen (vor allem in der ersten Halbzeit), ist ein 3:0-Erfolg als deutlich zu hoch einzustufen. Umso angenehmer ist, dass das Team in dieser Hinsicht bei Alexander Blessin in guten Händen zu sein scheint. Denn der FCSP-Coach erklärte deutlich, dass man durchaus glücklich sein konnte, kein Gegentor zu Beginn kassiert zu haben und dass er mit einigen Spielphasen, teilweise notwendigen Pausen der eigenen Spielidee (aufgrund der hohen Intensität), alles andere als zufrieden ist.
Aber natürlich gibt dieser Erfolg großes Selbstvertrauen. Denn den Spielverlauf dieser Partie bestimmte der FC St. Pauli. Bergamo profitierte zu Beginn von Fehlern seines Gegners. Als diese abgestellt waren, kam da nicht mehr wirklich viel Gefahr vonseiten der Gäste auf. Das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis, die man aus diesem Spiel mitnehmen kann: Der FC St. Pauli hielt in diesem Spiel die Zügel selbst in der Hand – und es gelingt auch gegen Teams aus einem viel höheren Regal als der 2. Bundesliga, Lösungen zu finden.
Immer weiter vor! // Tim
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