FCB-Fan Werner Simmerl und das Teufelsrad auf der Wiesn | OneFootball

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FC Bayern München

·4. Oktober 2024

FCB-Fan Werner Simmerl und das Teufelsrad auf der Wiesn

Artikelbild:FCB-Fan Werner Simmerl und das Teufelsrad auf der Wiesn

Das Teufelsrad ist eine Institution auf dem Oktoberfest. Zehn Jahre lang lieh ihm FCB-Fan Werner Simmerl seine Stimme. An der berüchtigten Drehscheibe hat er uns aus seinem Leben erzählt. Einem Leben, in dem es immer rundging.

Mit einem beherzten Griff zieht Werner Simmerl den grünen Kunststoffvorhang zur Seite. „Wir betreten eine Welt, die sich seit 116 Jahren nicht verändert hat“, sagt er und seine Stimme nimmt dabei einen geheimnisvollen Klang an. Mit schnellen Schritten nimmt er ein paar Stufen, schon steht er mittendrin im Teufelsrad, dem ältesten Fahrgeschäft auf dem Oktoberfest. Seit 1908 gehört es dazu zum größten Volksfest der Welt, nur hier kann man es finden. „Es sieht noch alles genauso aus wie früher“, sagt Simmerl und wird sofort vom Besitzer Franz-Josef Fesenmayer korrigiert: „Siehst du nicht, dass der Boden gerade neu gestrichen wurde?“ Simmerl schüttelt den Kopf. „Blau? Du bist doch ein Roter!“ Das kurze Geplänkel zeigt: Man kennt sich, man neckt sich, man mag sich. Und: Hier ist man nicht auf den Mund gefallen. Schon gar nicht Werner Simmerl. Zehn Jahre lang war er die Stimme des Teufelsrads und auch beim FC Bayern meldet er sich regelmäßig zu Wort, im Arbeitskreis Fandialog und auf der Jahreshauptversammlung. Werner Simmerl ist ein Original. Wie das Teufelsrad. Die Sprecherbox inmitten der Zuschauertribünen war von 1994 bis 2003 der Stammplatz von Werner Simmerl. „Es war eine unvergessliche Zeit, ein Traum“, denkt er gerne daran zurück.


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Vor ein paar Wochen ist Simmerl 80 geworden. Das merkt man ihm nicht an, er steckt voller Energie. Fast täglich trifft man ihn auf dem Golfplatz in Puchheim, er wohnt nur ein paar Meter entfernt. Eigentlich kommt er aber aus dem Münchner Stadtteil Solln, hier ist er aufgewachsen. Und hier begann das auch mit ihm und dem FC Bayern, vor 67 Jahren, im Oktober 1957. Er weiß es noch genau: „Meine Tante Hilde hat mich gefragt: ‚Warst du eigentlich schon mal im Stadion? Die Bayern haben einen neuen Torhüter, Fazekas, der macht jetzt sein erstes Spiel.‘ Ja, logisch wollte ich das sehen“, erzählt er. 4:1 gewann der FC Bayern damals gegen die Stuttgarter Kickers in der Oberliga Süd, Debütant Árpád Fazekas parierte einen Elfmeter. Und um den 13 Jahre alten Werner Simmerl war’s geschehen. „Es hat mir wahnsinnig gut gefallen.“ Am nächsten Tag erzählte er in der Schule begeistert von seinem Erlebnis. Doof nur, dass dort lauter Sechzger waren, und das bekam Simmerl zu spüren. „Franz Beckenbauer habe ich mal erzählt, dass ich mehr Watschn von Sechzgern gekriegt habe als er. Ich bin richtig rot gewatscht worden.“

1.200-mal im Stadion

Artikelbild:FCB-Fan Werner Simmerl und das Teufelsrad auf der Wiesn

Wohlgehütet: In seinem Album hat Simmerl alle seine Mitglieds- und Jahreskarten archiviert.

Seitdem war Rot jedenfalls seine Farbe. „Ich habe mir gesagt: Jetzt erst recht!“ Mit dem Fahrrad fuhr er fortan aus Solln regelmäßig ins Grünwalder Stadion, um seine Bayern zu sehen. 1970 wurde er Vereinsmitglied, seit 1979 besitzt er eine Jahreskarte. Simmerl hat viele Erinnerungen gesammelt. Sie sind abgeheftet in einem Album mit schwarzem Ledereinband. Jahreskarten, Mitgliedsausweise, Fotos, Tickets besonderer Spiele. 1999, 2010, 2012 und 2013 war er beim Champions League-Finale im Stadion. Das Ergebnis hat er auf dem jeweiligen Ticket notiert, oft mit einem kurzen Kommentar. „Geiler geht’s nimmer“, steht zum Beispiel beim Wembley-Ticket 2013. „Uli Hoeneß wollte mir den Ordner mal zwicken, fürs Museum“, erzählt er. Aber keine Chance, „den geb ich nicht her.“ Kürzlich hat Simmerl mal zusammengezählt, wie viele Bayern-Spiele er schon im Stadion gesehen hat – die unglaubliche Zahl: etwa 1.200. „Wahnsinn“, findet er selbst. „Das sind 75 komplette Tage.“ Ein Ende ist nicht in Sicht.

Simmerl kann einstecken, aber er teilt auch gerne aus. Er war daher wie gemacht für die Aufgabe als Sprecher beim Teufelsrad. Rekommandeur nennt sich der Job hochoffiziell, ein Wort aus einer anderen Zeit, wie das Teufelsrad selbst. Simmerl klettert die drei Stufen hoch in den Unterstand, seinen einstigen Arbeitsplatz, und kramt ein blau-weiß-kariertes Taschentuch aus seiner Lederhosn. Er wickelt es sorgfältig um das Mikrofon, so wie er es immer getan hat. „Als Sprecher musst du das Ganze steuern. Die Leit‘ sind dein Arbeitsmaterial“, sagt er, „das Teufelsrad ist so gut wie sein Sprecher.“

Das Prinzip des Teufelsrads ist ganz einfach. Wer es schafft, am längsten auf der drehenden Scheibe zu bleiben, gewinnt. Klingt einfach, ist aber höllisch schwer. Denn „die Platt’n“, wie Simmerl die Scheibe nennt, ist glatt, erst recht wenn Fliehkräfte, Schwindel und stolpernde Nebenleute dazukommen. „In der Mitte ist der beste Platz“, weiß Simmerl. Der Sprecher organisiert jede Fahrt. Für die Zuschauer ist das eine Mordsgaudi, Schadenfreude wird im Teufelsrad großgeschrieben, ganz besonders vom Sprecher, der das Geschehen deftig kommentiert. „Wenn was auf der Platt‘n passiert, musst du den Gag im selben Moment bringen. Fünf Sekunden danach ist es zu spät“, sagt Simmerl. Als Rekommandeur muss man also schlagfertig sein, und man muss aufpassen, dass außer blauen Flecken und Schürfwunden nichts Schlimmes passiert. Besonders wenn der Alkoholpegel zu später Stunde steigt. Dann überschätze sich der eine oder andere gern, meint Simmerl. Zusammen mit dem Fahrer, der die Drehung der Scheibe steuert, kontrolliere der Sprecher aber das Geschehen.

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Ab in die Box: Von seinem Platz aus dirigiert und kommentiert der Sprecher das Geschehen.

Der „Stammesälteste“

Simmerls Erinnerungen an das Teufelsrad gehen zurück bis in seine Kindheit. Als „kleiner Bua“ ging er immer mit seinem Vater auf die Wiesn. Der Vater steuerte das Bierzelt an, er das Teufelsrad. Alle Stunde musste er kurz rausschauen, ob der Vater auf ihn wartete, um heimzugehen. Und einmal wollte er einem Mädel imponieren und machte einen Boxkampf auf der Drehscheibe mit. Es ging nicht gut für ihn aus. Auch nicht mit dem Mädel. Er lacht. „Sie hat mich links liegen gelassen, im wahrsten Sinne des Wortes.“

Werner Simmerl kann viel erzählen aus seinem Leben. Und er tut das gern, auch wenn er sich als „schüchtern und kontaktscheu“ bezeichnet. Das Augenzwinkern muss man sich dazudenken. Im Außendienst für eine Nudelmarke machte er sich an der Säbener Straße schon früh einen Namen, als „Nudel-Simmerl“, später verschaffte er dem FC Bayern das bargeldlose Bezahlsystem in der neu gebauten Allianz Arena. Da hatte er längst auch einen Fanclub gegründet, den „1. Oldie Fanclub 2000 üFü“, speziell für ältere Anhänger. „üFü“ steht für „über Fünfzig“. Den Fanclub gibt es bis heute, auch wenn sie es mit dem Alter ihrer Mitglieder nicht mehr ganz so genau nehmen. Auch als 2007 der „Arbeitskreis Fandialog“ beim FC Bayern geschaffen wurde, um einen regelmäßigen Dialog mit der Fanbasis zu institutionalisieren, war er mit dabei. Dem Gremium gehört er bis heute an. „Ich bin der Stammesälteste“, sagt er.

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Natürlich darf Werner Simmerl auch auf den Jahreshauptversammlungen des FC Bayern nicht fehlen. Im letzten Jahr war er zum fünfzigsten Mal dabei, erzählt er. Der Termin ist ihm wichtig. „Ich möchte mitbekommen, was alles im Verein los ist. Im Arbeitskreis haben wir ja auch Dinge erarbeitet, und ich möchte wissen, was umgesetzt wird“, sagt er. Gerne geht er dann auch selbst ans Mikrofon, „20- bis 25-mal“ schätzt er, sei er schon auf dem Podium gestanden. „Zum ersten Mal, als Uli Hoeneß gerade Manager geworden war und seinen Bruder Dieter als Stürmer zu Bayern geholt hatte.“ Er weiß es noch genau: „Ich habe gesagt: ‚Liebe Leute, gebt Dieter Hoeneß Zeit. Er wird uns noch viel Freude bereiten. Und Uli Hoeneß wird ein Manager, um den uns die ganze Bundesliga beneiden wird.‘“ Danach bekam er einen Brief von Uli Hoeneß, in dem er sich bedankt hat und anbot, ihm auch einmal einen Gefallen zu erweisen. „Den Gefallen schuldet mir Uli heute noch“, sagt Simmerl und schmunzelt.

Im Teufelsrad unterhalten sich Werner Simmerl und Franz-Josef Fesenmayer, 76 Jahre, über alte Zeiten. Auch der Besitzer des Fahrgeschäfts hat schon als Kind viele Nachmittage hier verbracht. Auch er ist großer Bayern-Fan, hat seine Jahreskarte sogar noch ein paar Jahre länger als Simmerl. „Für mich ist das Teufelsrad immer noch das schönste Fahrgeschäft auf der Wiesn“, sagt Fesenmayer. Der Ort ist voller Erinnerungen, Tradition und Geschichten. „Mein Herz hängt immer noch dran“, meint Simmerl. Am Teufelsrad wie am FC Bayern.

© Bilder: Daniel Delang

Der Text ist hier in einer gekürzten Fassung erschienen, das gesamte Porträt gibt es im Mitgliedermagazin 51:

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