90min
·1. November 2024
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An Halloween war der Spuk vorbei. Am 31. Oktober 1970 beschloss der DFB, eine Ungerechtigkeit abzuschaffen, die ganze fünfzehn Jahre angedauert hatte. Ab 1955 wurde es Frauen untersagt, unter dem Dach des Verbandes Fußball zu spielen.
"Damenfußball", wie die Sportart damals konsequent genannt wurde, sei "unweiblich", "nichtfraugemäß", und aus "grundsätzlichen Erwägungen und ästhetischen Gründen" abzulehnen. Das war die offizielle Meinung des DFB, die keineswegs versteckt, sondern offen bekundet wurde.
Der damalige DFB-Präsident Peco Pauwens sagte 1959 selbstsicher: "Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen!" Eine Aussage, die wie Milch gealtert ist, wie es auf Englisch so schön heißt.
DFB-Funktionär Zimmermann erklärte die Entscheidung, Frauen den organisierten Fußball zu verbieten, in einem kicker-Interview 1955 folgendermaßen: "Fußballwäre kein echter Kampfsport mehr. Organisatorisch gibt es wohl kaum eine geschlossenere Sportart als den Fußball – vielleicht, weil keine Frauen dabei sind..." In der Entscheidung vom 30. Juli 1955 argumentierte der Verband ganz ähnlich, sorgte sich um die "weibliche Anmut", die beim Fußballspielen verlorengehen würden.
Derlei Kauderwelsch war zu dieser Zeit normal, die Stigmatisierung kam auch von der Seite der Medien. Der Generalanzeiger Oberhausen schrieb etwa, nachdem in der Stadt einige Spiele ausgetragen wurden, dass blaue Flecken die Frauen auf lange Zeit vom Spielen abhalten würden: "Es mindert die Anziehungskraft der Beine und damit wird sich keine Frau für ständig abfinden."
Dabei hatte es schon vor dem Verbot einige Spiele mit hohen Zuschauerzahlen gegeben: 1955 kamen etwa 10 000 Zuschauer für ein Spiel nach Mönchengladbach. Nur um die sportliche Qualität ging es ihnen wohl kaum, regelmäßig fielen bei solchen Begegnungen sexistische Sprüche wie die allseits beliebte Forderung nach einem Trikottausch.
Trotzdem gab es nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem Frauen plötzlich eine aktivere Rolle in der Gesellschaft einnahmen, einen kleinen Aufschwung. Der wurde vom DFB dann prompt abgebremst. Ähnliches war in England schon nach dem Ersten Weltkrieg passiert, als sogar mehr als 50 000 Zuschauer zu einem Spiel kamen und die FA prompt 1921 mit einem Verbot reagierte. Der DFB nahm mehr als 30 Jahre später eine ähnlich unrühmliche Rolle ein.
Heute stellt der Verband es so dar, als wäre das Geburtsdatum des Frauenfußballs in Deutschland der 31. Oktober 1970 gewesen. 2020 feierte der Verband etwa „50 Jahre Frauenfußball“. Besser wäre: „50 Jahre Frauenfußball beim DFB“. Denn auch nach dem Verbot ließen sich Spielerinnen nicht vom Kicken abhalten. Und das, obwohl die Bedingungen deutlich erschwert waren.
Vereine, die beim DFB registriert haben, durften weder ein Frauenteam haben, noch Frauen überhaupt die Nutzung ihrer Plätze gestatten. Auch Schiedsrichtern wurde es untersagt, Spiele zu leiten. Trotzdem rollte das Leder an vielen Orten weiter, und der DFB setzte nur in wenigen Fällen tatsächlich hohe Geldbußen durch.
Da sie unter dem Dach des DFB nicht gerne gesehen waren, gründeten Fußballerinnen eigene Verbände, von denen allerdings viele wegen finanzieller und organisatorischer Schwierigkeiten kurzlebig waren. In Westdeutschland gab es Schätzungen zufolge 40 000 bis 60 000 aktive Fußballspielerinnen, die aber wegen des DFB-Verbotes zum großen Teil unter schlechten Bedingungen kicken mussten.
Viele Klubs wurden kreativ, um den Bann zu umgehen. So firmierten viele Frauenteams vor 1970 unter dem Namen „Alte Herren“. Nicht zu vergessen ist auch, dass in der DDR Frauen durchaus Fußball spielten, sie waren nicht von den DFB-Regularien betroffen.
Für die Aufrechterhaltung des Verbotes wurden allerhand Gründe herbeigezogen, die meisten davon an den Haaren. Neben den patronisierenden Schutzargumenten – die armen Frauen! – wurde vor allem die Männlichkeit des Fußballs betont.
Die Stammtisch-Psychologie erfreute sich größter Beliebtheit, Diagnosen waren schnell verteilt. Der Mediziner Prof. Schönholzer erklärte in der Bild, Frauen hätten "keine so große Antenne für den Teamgeist wie Männer. Ihr Kameradschaftsgeist ist nicht so ausgeprägt."
Aber der DFB bekam auch Gegenwind. Die sexistischen Sprüche bei den Spielen wurden weniger, und einige Medien zeigten sich erstaunlich progressiv. Die Münchner Presse etwa zeigte sich überrascht, dass der Frauenfußball nicht "auf die billige Sensationsgier und den erotisch angehauchten Nervenkitzel" setzen würde, im Gegenteil: Das Spiel sei fair gewesen und das "ästhetische Gefühl" des Reporters keineswegs verletzt worden. Oh Wunder!
Der Tagesspiegel brachte schon 1957 einen Satz, der auch noch vor ein paar Jahren aktuell gewesen wäre: "Wer verächtlich die Nase rümpft und mokant lächelt, der sollte sich nicht wundern, wenn er eines Tages feststellt, den Anschluss verpasst zu haben."
Es war vermutlich vorrangig diese Angst, den Anschluss zu verpassen – und vor allem die damit einhergehenden Einnahmen -, die den DFB zur Kehrtwende bewegten. Ende der 60er-Jahre hatte zudem die Frauenbewegung an Fahrt gewonnen, das Verbot sorgte mehr und mehr für Imageschäden.
Der Entschluss sorgte zunächst nicht nur für Jubel bei den Fußballerinnen, viele fürchteten, ein Schattendasein im Verband zu fristen. Beim DFB dagegen gab es weiterhin viele, die den Frauenfußball nicht gerne in ihrem Verband sahen.
Aber der Verband gab sich großzügig und stilisierte sich gar als Retter der Sportart. Die Erlaubnis, Frauen beim Verband spielen zu lassen, sei sinnvoll, "um zu verhindern, dass Frauenfußball auf das Niveau von Damenringkämpfen herabsinkt", so ein DFB-Funktionär. Welch Großmut!
Tatsächlich stellte der DFB den Fußballerinnen zu Beginn so einige Hindernisse in den Weg. Trikotwerbung war bis 1978 verboten, womit vielen Klubs wichtige Einnahmen entgingen, und ein Nationalteam gab es bis 1982 nicht.
Viele prominente Fußballer und Trainer zeigten sich weiterhin wenig angetan vom Frauenfußball: Sepp Herberger erklärte den Fußball als "keine Sportart, die für Damen geeignet ist", und Gerd Müller sagte gar, er würde seiner Frau "den Hintern versohlen", wenn sie anfangen würde, einen Ball zu kicken. Ähnliche Attitüden gab es auch bei weniger prominenten Funktionären des DFB wohl.
Ab den 80er-Jahren drehte sich der Wind, der DFB startete sogar eine Werbekampagne für den Frauenfußball. Das Kaffeeservice, das stolz den deutschen EM-Siegerinnen von 1989 überreicht wurde, zeigt aber, dass traditionelle Rollenbilder weiter existierten.
Inzwischen ist die Geschichte des Frauenfußballs zum Glück bekannter geworden, und das schmähliche Verbot des DFB vielen ein Begriff. Trotzdem ist es wichtig, zu betonen, dass auch vor 1970 schon in Deutschland Frauen Fußball spielten, und auch nach Aufhebung des Verbots die treibende Kraft für die Entwicklung der Sportart waren.
Heute investiert der DFB stark in den Frauenfußball, doch das Kapitel von 1955 bis 1970 bleibt ein Schmutzfleck in der Verbandsgeschichte, der immer noch nicht komplett aufgearbeitet ist.