90PLUS
·11. August 2024
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·11. August 2024
Seit dem 12. Juni ist es offiziell: Thiago Motta übernimmt den Posten des Cheftrainers bei Juventus und tritt damit die Nachfolge von Massimiliano Allegri an. Die Verpflichtung des neuen Coachs steht sinnbildlich für den Beginn eines neuen Kapitels – Motta soll die Bianconeri nach einer durchwachsenen Saison zurück nach ganz oben führen. Welche Maßnahmen dafür bereits ergriffen wurden und wie Juve künftig unter dem Italiener spielen könnte, schauen wir uns im Folgenden genauer an.
Spätestens seit der abgelaufenen Serie-A-Saison 2023/24 dürfte jeder seinen Namen kennen: Der in Brasilien geborene Thiago Motta, der während seiner Karriere als Spieler für Vereine wie den FC Barcelona, Inter und Paris Saint-Germain aktiv war, führte den FC Bologna sensationell zur ersten Champions-League-Qualifikation in der Vereinshistorie und sorgte so für eine der größten Überraschungen in der vergangenen Spielzeit.
Motta, der als Profi unter anderem dreißig Spiele im Trikot der italienischen Nationalmannschaft absolvierte, hatte zuvor bereits die U19-Mannschaft von PSG, den CFC Genua sowie Spezia Calcio trainiert. Sein Trainerposten bei den Genuesen entpuppte sich als kurzes Gastspiel – nach zehn Partien war für ihn bereits wieder Schluss. Mit Spezia erreichte Motta den 16. Tabellenplatz und sicherte somit den Klassenerhalt, den FC Bologna brachte er zunächst auf Platz 9 (2022/23), dann bis in die Top 5 der Serie A. Da es in Italiens höchster Spielklasse inzwischen fünf Plätze gibt, die zur Teilnahme an der Königsklasse berechtigen, laufen die Rossoblù 2024/25 erstmals in der Champions League auf – dann allerdings ohne ihren Erfolgscoach.
Nach dem Rauswurf von Ex-Trainer Massimiliano Allegri, der bei Juventus aufgrund seines ungebührlichen Verhaltens während des Pokalfinales gegen Atalanta von seinem Amt entbunden wurde, waren die Bianconeri auf der Suche nach einem Ersatz für den 56-Jährigen. Schnell rankten sich Gerüchte um eine Verpflichtung von Thiago Motta, der aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit beim FC Bologna auch mit anderen großen Klubs in Verbindung gebracht wurde – darunter der FC Barcelona und der FC Bayern.
Seit dem 12. Juni 2024 steht nun aber offiziell fest: Motta ist der neue Cheftrainer von Juventus und tritt damit die Nachfolge von Allegri an. Unter Letzterem spielten die Bianconeri eine durchwachsene Saison – abgesehen vom Pokalsieg blieben sie häufig hinter den Erwartungen zurück, fielen durch unsinspirierte und insgesamt wenig überzeugende Leistungen auf. Unter Mottas Führung soll das in Zukunft anders laufen. Der einstige italienische Nationalspieler hat bereits kurz nach seinem Amtsantritt bewiesen, dass er nicht davor zurückschreckt, harte Entscheidungen zu treffen.
(Photo by Alessandro Sabattini/Getty Images)
Gleich neun Spieler sortierte der neue Juve-Coach gnadenlos aus: Federico Chiesa, Wojciech Szczęsny, Weston McKennie, Arkadiusz Milik, Mattia De Sciglio, Daniele Rugani, Arthur Melo, Filip Kostić und Hans Nicolussi-Caviglia – sie alle spielen in Mottas Plänen für die neue Saison keine Rolle und müssen sich daher zeitnah andere Klubs suchen. Vor allem die Tatsache, dass Motta sich mit Chiesa gegen einen Europameister von 2021 entschieden hat, sorgte dabei für Aufsehen.
Für den gewünschten Neuanfang braucht es natürlich auch neue Spieler. Der zentrale Mittelfeldspieler Khéphren Thuram wurde für 20 Millionen Euro vom OGC Nizza verpflichtet, zudem überwies man 51, 5 Millionen Euro an Aston Villa, um mit Douglas Luiz einen weiteren Mittelfeldakteur nach Turin zu holen. Ein Ersatz für den aussortierten Szczęsny steht auch schon bereit: Monza-Keeper Michele Di Gregorio schließt sich den Bianconeri für ein Jahr auf Leihbasis an.
Damit ist das Ende der Fahnenstange aber noch lange nicht erreicht – es sollen möglichst noch weitere Veränderungen am Kader vorgenommen werden. Aktuell bemühen sich die Juve-Verantwortlichen um einen Transfer von Teun Koopmeiners, der bei Atalanta unter Vertrag steht, aber wohl mit einem Wechsel zum italienischen Rekordmeister kokettiert. Auch Raheem Sterling vom FC Chelsea ist offenbar ein Thema bei der Vecchia Signora. Nachdem Wunschspieler Jean-Clair Todibo sich für einen Wechsel zu West Ham entschieden hat, soll außerdem noch ein Innenverteidiger kommen.
Als seine Zusammenarbeit mit den Turinern im Juni offiziell bekanntgegeben wurde, äußerte sich Thiago Motta wie folgt dazu: „Ich bin wirklich glücklich, ein neues Kapitel am Ruder eines großen Klubs wie Juventus zu starten. Ich danke den Besitzern und dem Management, die sich meiner Ambitionen, die Juve-Fahne hochzuhalten und die Fans zufriedenzustellen, sicher sein können.“ Diesen Worten lässt er nun offensichtlich Taten folgen.
Neben dem Umbruch im Kader soll sich natürlich auch am Auftreten der Mannschaft gravierend etwas verändern. Unter Ex-Übungsleiter Allegri agierten die Bianconeri oft mit wenig Schwung, ihr Spiel wirkte ideenlos und zäh, teilweise schon lethargisch. Viele Partien wurden erst in letzter Sekunde gewonnen, nachdem man in den neunzig Minuten zuvor offensiv wenig bis gar nichts zustande gebracht und sich stattdessen hauptsächlich aufs Verteidigen konzentriert hatte.
Dies ist rückblickend in erster Linie auf Allegris defensive Taktik zurückführen, die sein Team regelmäßig daran hinderte, die Spiele zu dominieren. Talentierte Akteure wie Chiesa oder auch Dušan Vlahović kamen in einem System, das nicht auf ihre offensiven Fähigkeiten zugeschnitten war, kaum zur Geltung – tatsächlich war Chiesa stets einer der Ersten, die von Allegri ausgewechselt wurden. Immer wieder sah sich Letzterer mit dem Vorwurf konfrontiert, sein Spielstil sei „nicht mehr zeitgemäß“.
(Photo by Valerio Pennicino/Getty Images)
Im krassen Gegensatz dazu steht Thiago Motta. Der 41-Jährige gilt als weitaus modernerer Trainer, der ballbesitzorientierten Fußball bevorzugt, sich jedoch auf keine bestimmte Formation festlegen möchte. „Man kann in einem 5-3-2 sehr offensiv und in einem 4-3-3 sehr defensiv spielen“, äußerte er sich einmal gegenüber der Gazzetta dello Sport. Charakteristisch für Mottas Spiel ist, dass er langsam aufbauen will statt zu kontern – auf diese Weise verhindert er, dass der Gegner sich nur hinten reinstellt. Auf Ballverluste lässt er zunächst Pressing folgen, ehe sich seine Mannschaft schnell kollektiv zurückzieht.
In der vergangenen Saison hat Motta wiederholt gezeigt, dass er sein Team unabhängig vom Gegner innovativen, offensiven Fußball spielen lassen will. Der Ballbesitz wird bei ihm großgeschrieben – bei Bologna war er damit auch sehr erfolgreich. Ein bewährtes Prinzip dabei ist es auch, innerhalb des Systems flexibel zu sein und verschiedene Wechsel und Rotationen zu finden. Das flüssige Spiel und die Anpassungsfähigkeit, welche die Rossoblù unter Mottas Führung an den Tag gelegt haben, zeugen von einem Engagement für einen modernen und dynamischen Spielstil.
Mottas Ruf als einer der interessantesten jungen Trainer Europas kommt nicht von ungefähr. Das nötige Know-how, um die Vecchia Signora wieder nach ganz oben zu führen, bringt er mit – die Frage ist nur, ob und wie gut das Team die von ihm in die Wege geleiteten Veränderungen annehmen wird. Mit dem Ex-Nationalspieler an der Seitenlinie soll ein neues Kapitel geschrieben werden und erst in den Wochen nach Beginn der neuen Saison wird sich zeigen, inwieweit der Plan der Juve-Bosse aufgeht.
(Photo by Alessandro Sabattini/Getty Images)