MillernTon
·29. September 2024
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Was für ein Tag! Der FC St. Pauli gewinnt verdient mit 3:0 gegen den SC Freiburg und feiert den ersten Bundesligasieg seit 13 Jahren. Die Basis für den Erfolg war eine bärenstarke Defensivleistung.(Titelfoto: Alex Grimm/Getty Images/via OneFootball)
Es ist gar keine Frage, der Derbysieg gegen den HSV am 16. Februar 2011 wird auf ewig einer der großen Tage in der Geschichte des FC St. Pauli sein. Nun ist dieser Erfolg allerdings um eine Tatsache ärmer: Denn dreizehneinhalb Jahre markierte dieses 1:0 den letzten Erfolg des FCSP in der Bundesliga. Bis zu einem herbstlichen Septembertag im Jahre 2024…
Nach dem überzeugenden Punktgewinn gegen RaBa Leipzig gab es keinen Anlass für Cheftrainer Alexander Blessin an der Startelf des FC St. Pauli etwas zu verändern. Das Team startete erneut im 5-2-3 (3-4-3 offensiv) und musste dieses Mal gänzlich auf Morgan Guilavogui verzichten, der nicht im Kader stand.
Beim FC St. Pauli fehlte ein Angreifer, beim SC Freiburg kehrte einer zurück: Michael Gregoritsch stand nach Muskelfaserriss erstmals in dieser Saison im Kader. Auch beim SCF gab es keine Veränderungen in der Startelf, nachdem diese beim 3:0-Erfolg gegen Heidenheim vor allem in der zweiten Halbzeit überzeugen konnte. Das konnte man gegen den FCSP allerdings nicht behaupten.
Aufstellung beim Spiel SC Freiburg gegen FC St. Pauli
SCF: Atubolu – Kübler, Ginter, Lienhart, Günter – M. Eggestein, Osterhage – Doan, Dinkci, Grifo – Adamu
FCSP: Vasilj – Saliakas, Wahl, Smith, Mets, Treu – Boukhalfa, Irvine – Afolayan, J. Eggestein, Saad
Der FC St. Pauli startete in dieses Spiel, wie man es von einem Aufsteiger erwarten kann, der zum Duell bei einem Spitzenteam antreten muss: Mit einem Fokus auf die Defensive. Dabei zeigte sich eine leichte Veränderung im Vergleich zum 0:0 im Heimspiel gegen Leipzig. Das Team agierte tief viel eher in einem 5-4-1. Gegen Leipzig war es ein klares 5-2-3.
Diese Formation stellte den SC Freiburg vor große Probleme. Das Team von Julian Schuster versuchte bei Ballbesitz das zentrale Mittelfeld extrem zu überladen. Die Außenpositionen wurden einzig von den beiden SCF-Außenverteidigern besetzt. Zur Doppelsechs (Osterhage und M. Eggestein) und Zehner Dinkci gesellten sich die nominellen offensiven Außen, Grifo und Doan und auch Mittelstürmer Adamu ließ sich immer wieder ins Mittelfeld fallen.
Gebracht hat dem SC Freiburg diese Überladung des zentralen Mittelfelds herzlich wenig. Weil sie in einer eh sehr dicht besiedelten Zone auf dem Spielfeld stattfand. Denn der FC St. Pauli fand defensiv ziemlich gut ins Spiel, blieb sehr kompakt und ließ dadurch nur sehr wenig Raum für die Freiburger. Auch wenn der SCF im Zentrum in Überzahl stand, war schlicht kein Raum da, um diese auch ausspielen zu können. Aus dieser Positionierung schob Osterhage von der linken Sechserposition immer wieder in den offensiven Halbraum. Das aber nur, wenn Grifo auf die linke Offensivseite auswich. Gleiches versuchte auch Doan auf der rechten Außenbahn immer wieder. Es änderte sich allerdings nur wenig daran, dass Freiburg kein Durchkommen fand.
Denn der FC St. Pauli war vorbereitet auf das, was der SC Freiburg offensiv zeigte. Deshalb agierte das Team nämlich im 5-4-1. Weil sie so die doppelte Besetzung der Außenbahnen des Gegners (Grifo+Günter, Kübler+Doan) gut aufnehmen konnten. Da der FCSP auch sehr gut auf die Tiefenläufe des SCF eingestellt war und Verlagerungen durch extreme Laufarbeit (insgesamt spulte das Team mehr als 124 Kilometer ab) keine Rolle spielten, ergaben sich aus den vielen Ballbesitzsituationen des SC Freiburg nahezu keine Torgelegenheiten.
So tat sich in den ersten Spielminuten eigentlich gar nichts vor beiden Toren. Den ersten Torschuss des Spiels gab es in der zwölften Minute – es war das 1:0 durch Elias Saad. Ein langer Ball von Manos Saliakas bekam Lienhart, von Eggestein und Saad unter Druck gesetzt, nicht geklärt. Saad machte dann auf kleinem Raum alles richtig, legte sich den Ball mit rechts vor und schloss mit links ab. Es sollte nicht das einzige Tor an diesem Tag bleiben, mit dem er mächtig Werbung für sich machte.
Aus Freiburger Sicht war der frühe Rückstand natürlich ein absolutes Desaster. Da ist der FC St. Pauli zu Gast, igelt sich tief hinten ein, geht dann auch noch in Führung und hat dann noch weniger Gründe, um sich offensiv zu zeigen. Nikola Vasilj ließ sich jedenfalls bereits nach 20 Spielminuten aufreizend viel Zeit bei einem Abstoß.
Die frühe Führung gab dem FCSP Auftrieb. Vielleicht noch etwas wichtiger für das Spiel: Es wurde schnell deutlich, dass der SC Freiburg keine Lösungen gegen das Defensivverhalten des FC St. Pauli fand. Im Wissen um die funktionierende Defensivarbeit schienen die Spieler minütlich ruhiger und abgeklärter zu werden. Das Vertrauen in die eigene Stärke wuchs. Aus dem Spiel heraus hatte der SC Freiburg erst in der 28. Minute seinen ersten Torschussversuch (Grifo köpfte klar neben das Tor).
Aufbauspiel des SC Freiburg gegen den FC St. Pauli
Um das Zentrum zu überladen, zogen sich beim SC Freiburg fünf Spieler im Mittelfeld zusammen. Von dieser Positionierung aus schoben Doan und Grifo teilweise auf die Außenbahn, Osterhage versuchte dann den freien Raum zu besetzen. Der FC St. Pauli organisierte sich in einem kompakten 5-4-1 dagegen und hielt die Abstände gering. Diese Defensivarbeit sorgte dafür, dass das Freiburger Spiel lange Zeit, trotz viel Ballbesitz, ungefährlich war.
Der Auftrieb und das 1:0 im Rücken führten aber auch dazu, dass der FC St. Pauli offensiv nun nicht weniger, sondern mehr Aktionen hatte. Eric Smith setzte nach 35 Minuten einen Freistoß an die Latte. Zwar hatte das Team nur 29 Prozent Ballbesitz im ersten Abschnitt, hatte mit acht Torschüssen aber mehr als das Heimteam (vier). Doch einer dieser Freiburger Torschüsse hätte den Spielverlauf wohl massiv geändert…
Wenige Minuten vor Ende der ersten Halbzeit gab es ein Duell zwischen Karol Mets und Matthias Ginter im Strafraum des FC St. Pauli. Mets griff mit seinem Arm um den Oberkörper von Ginter. Beim Freiburger Innenverteidiger führte das dazu, dass er mit den Füßen absprang (als sei er am Bein getroffen worden) und sich nach vorne warf. Eine Situation, die je nach Blickwinkel als clever oder ungeschickt bezeichnet werden muss und im Falle eines direkten Elfmeterpfiffes weit davon entfernt ist, sie als Fehlentscheidung einzuordnen. Schiedsrichter Gerach war in den vorherigen Spielminuten aber vor allem dadurch aufgefallen, dass er relativ viele Situationen weiterlaufen ließ. In der Elfmetersituation blieb die Pfeife dann zunächst auch stumm, was auch als Beibehaltung der Linie gewertet werden kann. VAR-seitig war das aber wohl doch zu viel, um nicht einzugreifen.
Ob diese Entscheidung nun richtig war oder nicht, dürfte je nach Vereinsfarben anders bewertet werden. Und am Ende isses auch scheißegal, weil Vasilj den Elfmeter von Grifo parierte. So gab es kurz vor der Halbzeit nicht den Niederschlag in Form des 1:1-Ausgleichs. Stattdessen packte der FC St. Pauli auf der Gegenseite selbst den Schwinger ans Freiburger Glaskinn aus. Eggestein erlief einen langen Ball auf der linken Offensivseite, spielte ihn ins Zentrum zu Saad. Dessen „Schuss“ war so viel wert, wie jener von Thomas Müller im WM-Halbfinale gegen Brasilien: Eine gute Vorlage für den Mitspieler. Dapo Afolayan bedankte sich, blieb ruhig und schob überlegt zum 2:0 ein – BÄM!
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In den zweiten Abschnitt startete der FC St. Pauli leicht verändert. Da Grifo und Doan im ersten Abschnitt nur selten auf die Außenbahn auswichen, fiel auch der FCSP zu Beginn des zweiten Abschnitts seltener ins 5-4-1, sondern agierte vermehrt im 5-2-3. Und dabei positionierte man sich auch noch etwas weiter vorne. Warum? Weil dauerhaft im eigenen Drittel verbarrikadieren eben auch immer ein gewisses Risiko beinhaltet, dass dann doch mal der Ball unglücklich ins eigene Tor gemurmelt wird.
Das höhere Pressing des FC St. Pauli zahlte sich aus: Während es in der ersten Halbzeit bei Ballbesitz zwar viel Zeit für die Freiburger Innenverteidiger gab, die Ideen aber fehlten, blieb ihnen nun auch noch keine Zeit, weil sie früher gestört wurden. In den ersten 20 Minuten des zweiten Abschnitts wurde das Spiel dadurch insgesamt sehr fahrig, was ganz sicher nicht nach dem Geschmack der Freiburger war.
// (Alex Grimm/Getty Images/via OneFootball)
Beendet wurde diese chaotische Spielphase durch einen Doppelwechsel der Freiburger, samt dazugehöriger Umstellung in der 64. Minute. Kurz zuvor hatte Lienhart zwar den Ball ins FCSP-Tor geköpft, stand aber um Zentimeter im Abseits. Auch diese Situation hätte den Spielverlauf sicher noch stark verändern können, zumal der SC Freiburg in der Folge taktisch eigentlich (aus ihrer Sicht endlich) eine Lösung gegen das Defensivverhalten des FCSP gefunden hatte.
Denn durch den Doppelwechsel stellte der SC Freiburg auf eine Dreierkette um. Dadurch konnte der SCF die Breite des Spielfelds im Spielaufbau in allen Mannschaftsteilen abdecken und der Druck auf den FC St. Pauli wurde größer. Als Reaktion darauf wurde der FCSP wieder tiefer und ins 5-4-1 gezwungen. Doch ehe das richtig zum Problem werden konnte, ehe der SC Freiburg noch die große Schlussoffensive starten konnte, setzte Elias Saad zu einem Lauf über zwei Drittel des Spielfelds an, erzielte das 3:0 und sorgte damit für die Vorentscheidung. Saad ist damit bisher an allen vier Bundesligatreffern des FC St. Pauli in dieser Saison direkt beteiligt gewesen, war bis zu seiner Auswechslung erneut laufstärkster Spieler auf dem Platz und hat gegen Leipzig und Freiburg 14 seiner 22 Defensivduelle gewonnen. Sein aktueller Wert für das Spiel des FCSP ist schlicht unglaublich.
Der SC Freiburg hatte im Anschluss noch zwei Freistöße von halblinks, die ebenfalls (wie beim nicht gegebenen Treffer von Lienhart) wegen einer Abseitsposition zurückgepfiffen wurden. In der 84. Minute gelang es ihnen dann erstmals wirklich hinter die letzte Kette des FC St. Pauli zu kommen, was zeigt, wie stark der FCSP die gesamte Partie über gegen den Ball gearbeitet hat. Der eingewechselte und an die Grundlinie durchgebrochene Höler legte für Doan quer, der zwar das Tor traf, doch erneut lag eine äußerst knappe Abseitsposition vor. Am Auswärtssieg des FC St. Pauli hätte dieser Treffer aber wohl eh nur wenig geändert.
Es blieb beim 3:0 für den FC St. Pauli. Auch wenn das Team nicht einmal ein Drittel der Spielzeit im Ballbesitz gewesen ist, dürfte dieser Erfolg völlig verdient sein. Weil man seine eigenen Chancen eiskalt nutzte. Vor allem aber, weil man die offensivstarken Freiburger mit intensiver Arbeit gegen den Ball gar nicht zur Entfaltung kommen ließ. Das ist schon bemerkenswert, wie gut der FC St. Pauli zuletzt gegen Leipzig und nun auch gegen den SC Freiburg gegen den Ball zurechtkam. Die Freiburger hatten aus dem Spiel nur fünf Torschüsse und einen xG-Wert von gerade einmal 0,25 auf die Kette gebracht. Eine Abwehr aus Granit also, wenn teilweise auch nur um Zentimeter…
Nachdem der FC St. Pauli bereits in den ersten Spielen zeigte, dass sie durchaus mithalten können in der Bundesliga, es aber drei Niederlagen in Folge gab, war die Liste an Abgesängen des Teams länger als die Wartezeit auf den ersten Bundesligasieg seit 2011. Auf diese drei Niederlagen folgten vier Punkte (3:0 Tore) gegen Leipzig und Freiburg. Zahlen, die man nicht unbedingt kommen sah, dafür aber umso schöner sind. Denn damit sammelte der FC St. Pauli nicht nur wichtige Punkte, sondern setzte auch ein ganz, ganz fettes Ausrufezeichen im Kampf um den Klassenerhalt in der Bundesliga.
Immer weiter vor!// Tim
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