90PLUS
·17. Oktober 2022
90PLUS
·17. Oktober 2022
13 Siege in Serie und seit 24 Spiele ungeschlagen: Vier Spieltage vor Saisonende steht Molde FK bereits als Meister der norwegischen Eliteserien fest. Über einen Trainer, der mit Sir Alex Ferguson verglichen wird, einen weltenbummelnden Strategen und ein vielversprechendes, hyperathletisches Sturmtalent.
Auch mit einem Remis bei Lillestrøm SK hätte Molde FK den Meistertitel der norwegischen Eliteserien am Sonntagabend eingetütet, doch bei Molde FK strahlte in den letzten Wochen und Monaten alles golden, sodass es fast Schicksalhaft wirkte, dass Molde auch dieses Spiel noch gewinnen konnte. Die zahlreich mitgereisten Auswärtsfans feierten bereits den ersten Meistertitel ihres Teams seit 2019, als der Spieler mit der Trikotnummer 16, Etzaz Hussain, in der 96. Spielminute frei vor dem Tor von Lillestrøm-Torhüter Mads Hedenstad Christiansen auftauchte und lässig mit dem linken Außenrist einschob.
Er steuerte im direkten Weg auf die Tribüne hinter dem Tor zu, winkte mit einer kurzen Handbewegung seine Mitspieler und die Auswechselspieler herbei und hüpfte auf die Mauer vor dem Gästeblock, um mit den in blau gekleideten Molde-Fans zu feiern, die zuvor über 90 Spielminuten unermüdlich gesungen hatten. Es war der Höhepunkt einer beeindruckenden Serie, denn der Sieg in Lillestrøm war der 13. in Serie. Und blickt man wettbewerbsübergreifend noch ein bisschen weiter in die Vergangenheit, wirken die letzten Wochen von Molde FK noch surrealer. Seit 24 Spielen ist die Mannschaft ungeschlagen. Die letzte Niederlage, ein 3:4 gegen Viking FK, liegt über fünf Monate zurück.
Einer der Hauptgründe für die erfolgreiche Saison von Molde ist deren Trainer: Erling Moe (52). Molde ohne Moe – das ist mittlerweile kaum noch vorstellbar. Seit 2007 arbeitete er für den Verein. Er war jahrelang Co-Trainer, übernahm 2015 für einige Monate als Interimstrainer, bevor er wieder in die zweite Reihe zurücktrat und Ole Gunnar Solskjaer als Co-Trainer unterstützte. Als dieser im Dezember 2018 nach Manchester abwanderte, war es in Molde wieder Moe, der den Verein als Interimslösung trainieren sollte. Er leitete die Vorbereitung, startete damals mit seiner Mannschaft gut in die Saison. Die Spieler sprachen sich für ihren Trainer aus und so kam es, dass Moe nach wenigen Spieltagen zum Cheftrainer befördert wurde. Gleich in seiner ersten Saison in dieser Funktion führte er das Team zum Meistertitel. Es folgten zwei Jahre, in denen sich Molde mit der Vizemeisterschaft begnügen musste, bevor die zweite Meisterschaft unter Cheftrainer Erling Moe seit Sonntagabend Gewissheit ist.
Der Trainer: Erling Moe. (Photo by RALPH ORLOWSKI/POOL/AFP via Getty Images)
Dieser Titel ist auch das Ergebnis einer beeindruckenden Flexibilität von Moe. „Es war eine Anerkennung der Arbeit über die gesamte Saison hinweg“, sagte der Meistertrainer nach dem Sieg gegen Lillestrøm SK. „Wir mussten uns völlig neu aufstellen. In den letzten Jahren ließen wir hinten viel zu viel rein. Wir mussten nach vorne Höchstleistungen bringen, um Spiele zu gewinnen.“ In der vergangenen Saison agierte Molde überwiegend aus einer 4-2-3-1-Grundordnung heraus und begeisterte mit teils spektakulärem Offensivfußball. Am Ende der Saison stellte man mit 70 Toren in 30 Spielen die mit Abstand beste Offensive der Liga, allerdings hatte man auch 40 Gegentore kassiert. Die Stabilität fehlte, zu häufig ließ Molde aufgrund einer löchrigen Defensive Punkte liegen und wurde schlussendlich nur Zweiter.
Moe erkannte dies und legte in der Saisonvorbereitung den Fokus auf Stabilität. Er passte die Grundordnung an, stellte einen zusätzlichen Innenverteidiger auf und etablierte ein 3-5-2, aus dem heraus Molde in dieser Saison in der überwiegenden Anzahl der Spiele agierte. Ein weiteres Markenzeichen von Molde war in der Vergangenheit ein hoher Ballbesitzwert. Auch diesen überdachte Moe und während Molde vor zwei Jahren noch durchschnittlich über 57 Prozent Ballbesitz pro Spiel hatte, lag dieser Wert in der laufenden Saison nur noch bei 53 Prozent. Die Hinwendung zum Pragmatismus hat sich ausgezahlt. Die Aftenposten, eine der größten Tageszeitungen Norwegens, verglich Moe dieser Tage mit niemand geringerem als dem großartigen Sir Alex Ferguson.
Außerdem gelang es Moe die Ausgeglichenheit der Mannschaft als eine Stärke zu etablieren. Mit David Datro Fofana (10), Marcus Andre Kaasa (9), Ola Brynhildsen (9), Magnus Grødem (7), Kristian Eriksen (6) und Magnus Wolff Eikrem (5) erzielten gleich sechs Spieler bisher fünf oder mehr Saisontore. Und auch beim Blick auf die Torvorlagen zeigt sich ein ähnliches Bild. Mit Emil Breivik (7), Kristian Eriksen (7), Magnus Wolff Eikrem (6) und Kristoffer Haugen (5) bereiteten gleich vier Spieler fünf oder mehr Tore vor.
Wenn man dennoch gezwungen wäre, einzelne Spieler aus dem beeindruckenden Teamverband herauszuheben, wären wohl Magnus Wolff Eikrem (32) und David Datro Fofana (19) zu nennen. Eikrem ist der Kapitän der Mannschaft und spielte schon in der Jungend für Molde FK – allerdings nur bis zu seinem 16. Geburtstag. Er galt damals als eines der vielversprechendsten Talente des Landes, Sir Alex Fergsuson wurde auf den jungen Strategen aufmerksam und lotste ihn in die Jugendabteilung von Manchester United. Dort spielte er zwei Jahre, anschließend drei Jahre in der Reservemannschaft von Manchester United, ohne jedoch den Durchbruch zu schaffen – und somit entscheid sich Eikrem dazu, zu Molde zurückzukehren. Bei seinem Heimatklub entwickelte er sich zum Nationalspieler und nach über zwei Jahren brach er erneut auf. Fünf Jahre tingelte er um die Welt, spielte für Heerenveen, Cardiff, Malmö und Seattle, bevor er 2018 in seine Heimat zurückkehrte und seitdem als Taktgeber und Spielmacher im Mittelfeld von Molde agiert.
Der Kapitän: Magnus Wolff Eikrem. (Photo by Johannes Simon/Getty Images)
Wenn Eikrem also den Abend seiner Fußballkarriere durchlebt, war für Fofana die laufende Saison der Sonnenaufgang. Der Ivorer wechselte erst im Februar vom Abidjan City FC, einem Klub in seiner Heimat, nach Norwegen zu Molde FK. In Europa war Fofana ein großes Fragezeichen, doch schon nach wenigen Spielen zeigte sich bereits, dass die Scouts von Molde ein Juwel entdeckt haben könnten. Der 1,81 Meter große Mittelstürmer ist hyperathletisch, gleichzeitig stämmig und hält sich mit einer beeindruckenden Balance immer wieder auf den Beinen. Er weicht häufig auf die Flügel aus und sucht dort immer wieder das direkte Duell mit seinem Gegenspieler. In diesen Situationen wird immer wieder sein blitzartiger Antritt, seine enorme Wendigkeit und sein Fintenreichtum sichtbar. Gelegentlich verzettelt sich Fofana in diesen Situationen zwar, richtet etwa seinen Blick zu spät nach oben und übersieht dabei freistehende Mitspieler – trotzdem könnte Fofana schon bald Begehrlichkeiten bei größeren europäischen Klubs wecken. Zehn Tore und vier Vorlagen in 19 Ligaspielen sprechen eine klare Sprache. Diese Spieler sind nur zwei Gründe für die fantastische Serie der Norweger.
(Photo by Johannes Simon/Getty Images)