Versteckte Schlüsselspieler: Das macht die Außenverteidiger im modernen Fußball so wichtig | OneFootball

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·3. Mai 2025

Versteckte Schlüsselspieler: Das macht die Außenverteidiger im modernen Fußball so wichtig

Artikelbild:Versteckte Schlüsselspieler: Das macht die Außenverteidiger im modernen Fußball so wichtig

Kaum eine Position im Fußball hat in den letzten Jahren so sehr an Bedeutung gewonnen, wie die des Außenverteidigers. Auf höchstem Niveau wird der klassische defensive Außen immer seltener, längst prägen Flügelverteidiger, variable Innenverteidiger und verkappte Spielmacher die besten Mannschaften der Welt.

Guardiolas Lieblingsspieler Lahm: Der perfekte Außenverteidiger?

„Denken Sie daran, dass die intelligentesten Menschen oft auf dem linken Verteidigerposten zu finden sind.“ Was Kommentatoren-Legende Gerd Rubenbauer einst flapsig dahersagte, ist mittlerweile eine akkurate Beschreibung für die Position des Außenverteidigers. Kaum eine andere Rolle hat in den letzten Jahren derart an Bedeutung gewonnen, wie die des defensiven Außen.


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Ob nun tatsächlich der schlauste Spieler der Mannschaft stets hinten links zu finden ist, sei mal dahingestellt. Fakt ist, dass die Anforderungen an Außenverteidiger im modernen Fußball immer komplexer werden. Das sieht auch Liam Tharme so, der als Taktik-Experte für The Athletic schreibt: „Ich denke, ein guter Außenverteidiger kann je nach den Anforderungen des Trainers heute anders aussehen als früher.“

Während sich die Spielerprofile früher oft ähnelten, gibt es heutzutage viele verschiedene Ausprägungen des modernen Außenverteidigers. In den 1990er- und 2000er-Jahren verkörperten Spieler wie Roberto Carlos, Andreas Brehme oder Ashley Cole den Prototyp eines defensiven Flügelspielers. Defensiv zuverlässig, physisch stark, bei Gelegenheit durchaus mit Offensivdrang und Flankenschärfe gesegnet.

Alleine auf der Außenbahn: Schienenspieler als Alleskönner

„Die Rolle der Außenverteidiger gestaltet sich facettenreicher als in den Jahren davor“, weiß auch Clemens Zulehner, Sportlicher Leiter der Akademie des österreichischen Zweitligisten SV Ried: „Ich denke zwar nicht, dass der ’solide Außenverteidiger‘ aussterben wird, aber es gibt mehr Varianten dieser Postion. Alleine durch die Einführung der modernen Dreierkette gibt es das neue Positionsprofil des ‚Wingbacks‘ oder ‚Joker‘.“

Tatsächlich änderte sich der Renaissance der Dreierkette für viele Außenverteidiger das Anforderungsprofil. Viele Trainer setzen seither nur noch auf einen Spieler auf jeder Außenbahn, der defensiv wie offensiv Aufgaben zu erledigen hat. Im Ballbesitz sollen sie Breite schaffen, um Gegenspieler mitzuziehen und im überladenen Zentrum Platz zu schaffen. Gegen den Ball schieben sie zurück und bilden mit den Innenverteidigern eine Fünferkette.

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Schlüsselspieler auf der Schiene: Inters Federico Dimarco. (Photo by Marco Luzzani/Getty Images)

Das beste Beispiel für moderne Flügelverteidiger findet sich bei Inter. Unter Simone Inzaghi agieren die Nerazzurri im 3-5-2. Als Schienenspieler sind Federico Dimarco und Denzel Dumfries gesetzt. Mit ihrer Kombination aus Tempo und Physis beschäftigen sie die gegnerischen Abwehrspieler und sind oft sogar auf einer Linie mit den Stürmern Lautaro Martinez und Marcus Thuram zu finden. Defensiv haben sowohl der Italiener Dimarco als auch der Niederländer Dumfries ihre Schwächen, dennoch zählen sie zu den besten „Wingbacks“ der Welt.

Von Mitläufern zur Schlüsselposition: Guardiola und die inversen Außenverteidiger

In den letzten Jahren wurde die Position des klassischen Linienläufers zudem um die Rolle des verkappten Spielmachers ergänzt. „Es gibt ein echtes Spektrum, das von einem Rico Lewis, der ins Mittelfeld zieht, bis hin zu Antonee Robinson oder Milos Kerkez reicht, die traditionelle Läufer und Flankengeber sind“, so Tharme, der glaubt, dass ein Außenverteidiger vor allem mit Ball am Fuß deutlich mehr Aufgaben hat, als in der Vergangenheit: „Ich denke, die technischen Anforderungen sind massiv gestiegen. Entweder um eine Reihe von Pässen aus dem Mittelfeld heraus zu spielen oder um den letzten Ball zu spielen.“

Besonders Pep Guardiola legte schon in den frühen Jahren seiner Trainerkarriere hohen Wert auf die technischen Fertigkeiten seiner Außenverteidiger, da diese in seinem Tiki-Taka in Ballbesitz für eine weitere Anspielstation sorgen sollten. Beim FC Bayern begann der Katalane konsequent damit, Philipp Lahm immer wieder ins Mittelfeld vorzuschieben. Der technisch starke und spielintelligente Weltmeister war wie gemacht für den Guardiola-Fußball und kann durch seine Qualitäten in der Defensive, im Angriff und seinem herausragenden Fußball-IQ guten Gewissens als perfekter Außenverteidiger bezeichnet werden. „Philipp Lahm ist vielleicht der intelligenteste Spieler, den ich je trainiert habe“, rubenbauerte es damals beim spanischen Star-Trainer.

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Der perfekte Außenverteidiger? Philipp Lahm zählte zu den Lieblingsschülern von Pep Guardiola. (Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Inverse Verteidiger sorgen für Entscheidungsprobleme

Wie so oft prägte Guardiola mit seinen mitspielenden und einrückenden Außenverteidigern den Fußball nachhaltig. Sein einstiger Co-Trainer Mikel Arteta baut beim FC Arsenal ebenfalls auf dieses taktische Mittel. Bei den Gunners ist es derzeit meist der junge Myles Lewis-Skelly, der ins Zentrum zieht und so Räume und Absicherung für Achter Declan Rice schafft. Durch die Überzahl im Zentrum sind die Gegner gezwungen, sich enger zu positionieren, wodurch Räume für die Außenstürmer wie Gabriel Martinelli oder Bukayo Saka entstehen.

„Wenn übliche ‚Bezugsspieler‘ auf einmal Räume besetzen, die normalerweise nicht besetzt werden, dann kann man die gegnerischen Spieler zu Entscheidungsproblemen zwingen. Wer attackiert den inversen AV? Schiebt ein Innenverteidiger raus oder verlässt ein 6er die Position?“, skizziert Zulehner die Gedanken hinter einrückenden Außenverteidigern.

In der Ausbildung beim österreichischen Zweitligisten werden den Nachwuchskräften zwar Dreier- und Viererketten-Konzepte vermittelt, im Mittelpunkt stehen jedoch auch bei jungen Außenverteidigern die persönlichen Stärken und Schwächen des Spielers. „Es ist vor allem wichtig, dass Spieler, die nach innen ziehen wollen das auch tun können. Oder Spieler die mit viel Tempo in die Tiefe laufen können diese Stärke zu nutzen wissen. Es geht darum Fähigkeiten zu entwickeln und zu fördern, die später außergewöhnliche Spieler aus ihnen machen“, gibt Zulehner Einblicke in die Jugendarbeit und zieht Inter Dimarco als Beispiel für individuelle Förderung heran: „Ich denke Dimarco hat Inzaghi durch seine Spielweise dazu inspiriert ihm eine spezielle Rolle zu geben. Die Qualität des Spielers hat sicher den Anstoß dafür gegeben, ihn so einzusetzen wie er eben eingesetzt wird.“

Gelernte Innenverteidiger als Antwort auf torgefährliche Flügelstürmer

Ein weiterer Trend auf der Außenverteidigerposition ist die Umschulung gelernter Innenverteidiger. Geht man dieser Entwicklung auf den Grund, kommt man erneut nicht um den Namen Guardiolas herum. Bei Manchester City setzte er John Stones lange als Rechtsverteidiger ein, Arteta setzt bei Arsenal auf Ben White oder Jurrien Timber. In Newcastle blüht der 33-jährige Dan Burn als Linksverteidiger auf, Thomas Tuchel belohnte den Zwei-Meter-Hünen sogar mit seiner ersten Berufung in die englische Nationalmannschaft.

Die Vorteile eines physisch starken Innenverteidigers auf der Außenposition liegen – logisch – in der Defensive. „Meiner Meinung nach ist das dem Aufkommen von inversen Flügelspielern und der zunehmenden Körperlichkeit in den Top-Ligen geschuldet“, erklärt Liam Tharme den Trend: „Fast jedes Team hat individualistische Flügelspieler, die mit Tempo und Durchschlagskraft für Gefahr sorgen können und die im Eins-gegen-Eins verteidigt werden müssen. Aus diesem Grund sprach Guardiola von ‚richtigen Verteidigern‘, die gegen Vinicius Jr. und co. verteidigen müssen, insbesondere in einer Zeit, in der torgefährliche Außenstürmer (Salah, Son, Palmer, Mahrez) und nicht die Nummer 9 in Mode sind.“

Wieso variable Außenverteidiger im modernen Fußball so wichtig sind

Außenverteidiger, die auch Sechser sind, Innenverteidiger, die auch auf außen agieren können – Vielseitigkeit wird im Fußball immer wichtiger. Spieler, die mehrere Rollen ausfüllen können, bieten ihrem Trainer die Möglichkeit, während der Partie auf wechselnde Umstände zu reagieren und Systemanpassungen vorzunehmen, ohne auszuwechseln. Zudem erschweren sie laut Taktik-Experte Tharme dem Gegner die Spielvorbereitung: „Ich denke, dass Vielseitigkeit vor allem im Zeitalter der Gegneranalyse nützlich ist, da Mannschaften und Einzelspieler nicht mehr so unberechenbar sind wie vielleicht noch vor 10 oder 20 Jahren. Sie ermöglicht es einem Trainer, ohne Auswechslungen zwischen verschiedenen Systemen und Taktiken zu wechseln, und bedeutet, dass er gegen verschiedene Gegner natürlichere Lösungen hat.“

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Außenverteidiger klassischer Prägung: Dani Carvajal. (Photo by Denis Doyle/Getty Images)

Immer tiefergehende Gegneranalyse, die physisch stärkeren Außenstürmer und die auf Top-Niveau unumgängliche Variabilität haben die Außenverteidiger zu einer der anspruchsvollsten Positionen auf dem Spielfeld werden lassen. Sie bestimmen durch ihr Positionsspiel die Grundordnung mit, in der ihre Mannschaft agiert, müssen Angriffe orchestrieren und dennoch ihre Defensivaufgaben erfüllen. Dafür bedarf es neben enormer Laufbereitschaft, Zweikampfhärte und Spielmacherqualitäten großer Spielintelligenz – Gerd Rubenbauer hat es schon immer gewusst.

Doch auch der klassische Außenverteidiger wird weiterhin gefragt sein, glaubt zumindest Clemens Zulehner: „Es gibt schlichtweg genügend Teams, die auch auf diese Weise spielen möchten. Nicht jeder Trainer oder jede Fußballmannschaft möchte derartige Innovationen auch umsetzen. Das ist gleichzeitig das Schöne am Fußball. Auch klassische Herangehensweisen können zum Erfolg führen. Dani Carvajal hat ja auch bekannterweise in den letzten Jahren große Erfolge verzeichnen können.“

(Photo by Mike Hewitt/Getty Images)

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