OneFootball
Philipp Overhoff·24. Dezember 2023
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Philipp Overhoff·24. Dezember 2023
Die Weihnachtszeit gilt als Zeit der Wunder. In der absolut durchanalysierten und bis ins letzte Detail untersuchten Welt des Fußballs geschehen solche Wunder immer seltener. Umso schöner ist es, immer mal wieder nostalgisch auf diese zurückzublicken. Hier kommen fünf der größten Sensationen der Fußballgeschichte.
Als Aufsteiger die Klasse halten? Schwer genug. Als Aufsteiger im gesicherten Mittelfeld landen? Die absolute Wunschvorstellung. Als Aufsteiger die Meisterschaft gewinnen? Eigentlich unvorstellbar.
Eigentlich. Denn genau dieses Wunder vollbrachte der FC Kaiserslautern in der Bundesliga-Saison 1997/1998. Was am 1. Spieltag mit einem 1:0-Auswärtssieg beim FC Bayern begann, endete im Mai 1998 sensationell mit dem Titelgewinn. Die Mannschaft von Trainer-Ikone Otto Rehagel hatte am Ende der Saison 68 Punkte auf dem Konto, der Klassenprimus aus München landete mit 66 Punkten auf dem zweiten Platz. „Wir hatten eine gute Mannschaft. Die Bayern hatten das mit Sicherheit auch ein bisschen unterschätzt“, bilanzierte Rehhagel später.
Ein 38-jähriger Andreas Brehme, ein 22-jähriger Michael Ballack und ein Sturm-Duo bestehend aus Olaf Marschall und Jürgen Rische, das zusammen satte 36 Tore erzielte. Diese Mannschaft hatte wirklich alles.
Und schon wieder ist Otto Rehagel der Protagonist eines der größten Wunder der Fußball-Geschichte. „Rehacles“, wie er im Anschluss an den Triumph in Griechenland getauft wurde, vollbrachte mit der hellenischen Nationalmannschaft im Sommer 2004 schier unglaubliches.
Dabei begann die Ära-Rehagel nur wenige Jahre zuvor alles andere als vielversprechend. Das erste Quali-Spiel für die EM 2004 wurde sang- und klanglos mit 5:1 in Finnland verloren. Der gebürtige Essener schaffte es im Anschluss daran aber seiner Mannschaft eine enorme taktische Disziplin und defensive Stabilität einzuimpfen. Mit vier 1:0-Siegen in Folge qualifizierte man sich schließlich für die EM.
Nur vier Gegentreffer in sechs Spielen, gefährliche Standardsituationen und drei 1:0-Siege in der K.o.-Runde waren dann das griechische Erfolgsrezept auf dem Weg zur europäischen Krone. Im Finale gegen den haushoch favorisierten Gastgeber Portugal erzielte der damalige Bremer Angelos Charisteas in der 57. Minute den umjubelten Siegtreffer. Der Wahnsinn war damit perfekt, bei ihrer erst zweiten EM-Teilnahme überhaupt wurden die Griechen zum Champion Europas.
Der Beginn des katarischen Engagements bei Paris-Saint Germain kann ziemlich genau auf den Sommer des Jahres 2011 datiert werden. In der selben Transferperiode gab der französische Hauptstadt-Klub dann direkt mal 110 Millionen Euro für neue Spieler aus und ging als Favorit auf den Meistertitel in die Saison 2011/2012.
Ein kleines Fußalldorf im Süden Frankreichs wehrte sich jedoch gegen die finanzielle Übermacht von PSG und verschob den Beginn der Pariser Dominanz zumindest noch um ein Jahr. Der HSC Montpeiller fand sich in den 2000er Jahren zumeist im Mittelfeld der Ligue 1 wieder, den Meistertiteln der Frauen-Mannschaft 2004 und 2005 konnten die Männer nie nacheifern. Bis 2012.
Der Kader bestand auch in diesem Jahr zu einem großen Teil aus No-Names und war insgesamt nicht mal 100 Millionen Euro wert. Mit 82 Punkten und teils begeisterndem Fußball stürmte die Mannschaft um den späteren Stürmer-Star Olivier Giroud dennoch zum Meistertitel. Das Pariser Starensemble landete mit 79 Punkten nur auf dem zweiten Platz. Präsident Louis Nicollin war so begeistert, dass er sich für einen Irokesen in den Vereinsfarben entschied. Ein Triumph der Fußball-Romantik.
Die englische Premier League steht wie keine andere Fußball-Liga für das große Geld. Auch wenn der Meistertitel bis zum Beginn der City-Dominanz unter Pep Guardiola regelmäßig seinen Besitzer wechselte, so waren Überraschungsmeister in diesem Millennium doch eine absolute Rarität. Die Spielzeit 2015/2016 bildete dahingehend eine krasse Ausnahme.
In der Vorsaison noch lange um den Klassenerhalt kämpfend, erlebte Leicester City in diesem Jahr ein Fußball-Wunder der ganz besonderen Art. Mit satten zehn Punkten Vorsprung auf den Zweitplatzierten FC Arsenal gewann der vergleichsweise kleine Klub aus den East Midlands die englische Meisterschaft. Vor allem in den direkten Duellen gegen die eigentlichen Top-Teams performte die Mannschaft von Trainer Claudio Ranieri extrem stark.
Der Hautprotagonist dieser Saison war wohl Jamie Vardy, der bis 2010 noch für Stocksbridge Park Steels in den Niederungen des englischen Fußballs kickte und Leicester bis heute als Kapitän aufs Feld führt. Für Riyad Mahrez und N’Golo Kanté dagegen markierte diese Spielzeit den Durchbruch für eine spätere Welt-Karriere.
Kamerun 1990, Senegal 2002, Ghana 2010. Es gibt einige afrikanische Teams, die bei Weltmeisterschaften für Begeisterung sorgten, den Einzug ins Halbfinale aber immer denkbar knapp verpassten. Im Winter vergangenen Jahres gelang es der marokkanischen Mannschaft dann, diesen Fluch zu brechen.
Das Halbfinal-Ticket bekamen die Nordafrikaner dabei keinesfalls geschenkt. Ganz im Gegenteil. Angepeitscht von ihren überragenden Fans gewannen die Marokkaner ihre Vorrundengruppe vor Kroatien und Belgien und ließen im Achtel- bzw. Viertelfinale erst Spanien und dann Portugal verzweifeln. Viel schwerer kann ein Weg ins Halbfinale vermutlich gar nicht aussehen.
Dort war dann gegen Titelverteidiger Frankreich Schluss, dennoch sorgten die „Atlaslöwen“ bei der WM 2022 für eine der wenigen schönen Storylines. Mit ihren Leistungen begeisterten die Marokkaner einen ganzen Kontinent und vermutlich die gesamte Fußball-Welt.