Zwischen Zwangsabstieg und sportlichem Erfolg – Olympique Lyon am Scheideweg | OneFootball

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·10. April 2025

Zwischen Zwangsabstieg und sportlichem Erfolg – Olympique Lyon am Scheideweg

Artikelbild:Zwischen Zwangsabstieg und sportlichem Erfolg – Olympique Lyon am Scheideweg

Die Zukunft von Olympique Lyon ist vor dem Europa-League-Viertelfinale gegen Manchester United unklar. Zwischen Zwangsabstieg und der Qualifikation für die Champions League ist alles möglich. Seit Monaten herrscht Chaos bei OL und ein Ende scheint nicht in Sicht.

Am Donnerstag empfängt Olympique Lyon im Viertelfinal-Hinspiel der Europa League um 21:00 Uhr Manchester United. Sportlich läuft es blendend für OL, acht der letzten zehn Spiele wurden wettbewerbsübergreifend gewonnen. In der heimischen Liga steht OL nach einem 2:1-Sieg bei LOSC Lille auf Platz fünf, die Champions-League-Plätze sind nur einen Punkt entfernt. Nach einem schwachen Saisonstart mit nur einem Sieg und drei Niederlagen aus den ersten fünf Spielen könnte man also davon ausgehen, dass die Stimmung in der drittgrößten Stadt Frankreichs besser kaum sein könnte. Doch weit gefehlt, abseits des Platzes regiert seit langem das Chaos in Lyon. Eine Übersicht über die derzeitige Lage bei Olympique Lyon.


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John Textor verspricht eine goldene Zukunft, bleibt bisher aber vieles schuldig

Bereits seit der corona-bedingten Pause und dem anschließenden Abbruch der Ligue-1-Saison hat Lyon mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Ein Streit um die TV-Rechte zwischen der französischen Ligue 1 und den Sendern tobt seit Jahren. In der Saison 2024/25 gelang es erst kurz vor dem Saisonstart einen verhältnismäßig niedrig dotierten Vertrag mit Dazn und BeinSports für die Übertragungsrechte abzuschließen. Die niedrigen Einnahmen aus den TV-Rechten sind kein Problem, dass Lyon exklusiv hat. Dazu kommt jedoch, dass OL in der Saison 2019/20 erstmals seit 1996/97 die Qualifikation für das internationale Geschäft verpasste. Zu den fehlenden Gelder aus den UEFA-Töpfen kommen außerdem hohe Kosten für die Infrastruktur des Vereins. Das Groupama Stadium sorgt mit 60.000 Plätzen und der Möglichkeit Veranstaltungen durchzuführen, für viel Einnahmepotenzial, ist aber gleichzeitig auch ein hoher Kostenfaktor. Dies wurde auch durch die eingeschränkten Zuschauerzahlen während Corona zum Problem.

Die finanzielle Problematik in Lyon ist also nicht gänzlich neu. Richtig zu Tage tritt sie allerdings erst seitdem der Amerikaner John Textor den Verein im Mai 2023 übernahm. Vorgänger Jean-Michel Aulas war von seinem Amt als Präsident bei Olympique Lyon zurückgetreten und hatte die Mehrheit seiner Anteile an Textor abgetreten. Aulas hatte die Geschicke Lyons 1987 übernommen und führte OL aus der zweiten Liga an die Spitze des französischen Fußballs. Siebenmal in Folge gewann Lyon in den 00er-Jahren die französische Meisterschaft und war Dauergast in der Champions League. Zudem machte sich OL mit hervorragender Jugendarbeit einen Namen. Spieler, wie Karim Benzema, Samuel Umtiti, Anthony Martial, Frédéric Kanouté, Ludovic Giuly, Corentin Tolisso, Nabil Fekir oder Alexandre Lacazette wurden allesamt bei Olympique ausgebildet.

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OL-Präsident John Textor polarisiert mit seinem Auftreten in der Öffentlichkeit. (Photo by Stéphane Guiochon/Imago)

Bei seiner Amtsübernahme sprach Textor davon, dass er Lyon wieder zurück an die Spitze des europäischen Fußballs führen wolle. Dabei helfen sollten auch die anderen Vereine, die dem US-Amerikaner bereits gehörten: Botafogo in Brasilien und RWD Molenbeek in Belgien. Außerdem ist er auch Minderheitsanteilseigner bei Crystal Palace. Seitdem Textor die Geschäfte in Lyon führt, hat sich die finanzielle Lage allerdings nicht verbessert. Im Gegenteil, die Schulden sind weiter gewachsen. Im November folgte dann der große Schock: die Direction Nationale du Contrôle de Gestion (DNCG), die die Finanzen der französischen Klubs überwacht, sanktionierte Olympique Lyon drastisch. Aufgrund einer Finanzierungslücke von circa 200 Millionen Euro wurde der vorläufige Zwangsabstieg zum Ende der laufenden Saison angeordnet. Dazu kam außerdem eine Transfersperre.

Bis zum Sommer gab die DNCG Olympique Lyon Zeit, um das nötige Geld einzunehmen und die Kosten zu senken. Es sollen unter anderem weitere Investoren gefunden werden. Im Dezember 2024 gab es außerdem bereits aus der Eagle Football Group, die alle Vereine Textors unter einem Dach bündelt, eine Finanzspritze in Höhe von 75 Millionen Euro für OL. Neben der finanziellen Misere sorgt Textor auch anders in der Öffentlichkeit für Aufmerksamkeit. Immer wieder legt er sich unter anderem mit PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi an, dabei geht es vor allem um die bereits erwähnte TV-Vermarktung der Ligue 1. In einem Streit soll Al-Khelaifi Textor als „Cowboy“ bezeichnet haben. Daraufhin betrat Textor mit einem Cowboyhut und passenden Stiefeln vor dem Heimspiel gegen Paris SG im Februar das Spielfeld und grüßte die Fans.

Deals innerhalb der Eagle Football Group sorgen für Ärger

Auch mit den Geschäftsprozessen innerhalb der Eagle Football Group sorgt Textor für Ärger bei der heimischen Konkurrenz. Im Sommer 2023 verpflichtete RWD Molenbeek Ernest Nuamah für 25 Millionen Euro von Nordsjaelland, der Flügelspieler wurde allerdings direkt per kostenloser Leihe an Lyon weitergereicht. Im darauffolgenden Sommer verpflichtete OL Nuamah schließlich fest. Bemerkenswert an dem Vorgang ist die Tatsache, dass hohe Ablösesummen in Belgien kaum gezahlt werden und Molenbeek in der zweiten Liga ein kolportiertes Gesamtbudget von unter 10 Millionen Euro zur Verfügung stehen hatte. Die Konkurrenz beklagte sich, dass die Multi-Club-Ownership-Gruppe Eagle Football Group damit einen ungerechten Vorteil auf dem Transfermarkt hätte und diesen ausnutzen würde.

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Dies hielt Lyon nicht davon ab in diesem Winter ähnlich vorzugehen. Aufgrund der bereits erwähnten Transfersperre konnte OL im Winter 24/25 keine neuen Spieler kaufen. Also bediente man sich beim brasilianischen Partner-Klub Botafogo und lieh Thiago Almada kostenlos aus. Dies sorgte dafür, dass unter anderem Toulouse und Stade Reims Einspruch gegen die Wertung der Spiele gegen Lyon einlegten. Dieser wurde von der DNCG allerdings zurückgewiesen.

Trainer Paulo Fonseca muss noch bis November auf der Tribüne sitzen

Doch nicht nur Präsident John Textor steht im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Auch Trainer Paulo Fonseca sorgte im Spiel gegen Stade Brest für einen handfesten Eklat. In der Nachspielzeit attackierte er Schiedsrichter Benoit Millot im Rahmen einer VAR-Überprüfung eines möglichen Elfmeters heftig. Im Anschluss wurde Fonseca, der erst seit Ende Januar im Amt ist, für neun Monate gesperrt. Das heißt, dass Fonseca vor und während der Spiele nicht in die Kabine darf und außerdem während der Spiele auf der Tribüne sitzen muss. Die Sperre gilt in der Europa League allerdings nicht, sodass der Portugiese gegen Manchester United den ungewohnten Platz an der Seitenlinie einnehmen darf.

Innerhalb des Vereins hat die Sperre Fonsecas Position allerdings kaum geschwächt. Im Achtelfinale der Europa League gegen FCSB feierten die Spieler einen Treffer von Nicolas Tagliafico demonstrativ mit ihrem Trainer und auch Textor stärkte dem ehemaligen Milan-Coach mehrmals öffentlich den Rücken.

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OL-Trainer Paulo Fonseca darf die Ligaspiele seiner Mannschaft nur von der Tribüne aus verfolgen. (Photo by Icon Sport/Imago)

Transfers sind schon lange ein wichtiger Bestandteil von Lyons Erfolg

Eine Möglichkeit den Zwangsabstieg zu verhindern, sind Transfers. Im Winter gab Lyon bereits einige Spieler ab, um einerseits Geld zu generieren, andererseits die hohen Gehaltskosten zu reduzieren. So wurden Maxence Caqueret zu Como, Gift Orban an die TSG Hoffenheim und Jeffinho an Botafogo verkauft. Damit konnte OL knapp 30 Millionen Euro Ablöse generieren, außerdem schafften die Abgänge von Anthony Lopes, sowie die abgebrochene Leihe von Wilfried Zaha weiteren Spielraum. Auch im Sommer dürften Transfers die wichtigste Rolle spielen, um die Anforderungen der DNCG zu erfüllen und den Abstieg in die Ligue 2 abzuwenden.

Mit Alexandre Lacazette und Nicolas Tagliafico haben zwei Topverdiener nur noch Vertrag bis zum Sommer. Eine Verlängerung ist nur zu erheblich geringen Bezügen möglich. Auch Spieler, wie Routinier Nemanja Matic gelten aufgrund des hohen Gehalts als Kandidaten für einen Abgang. In der Vergangenheit agierte Lyon immer wieder sehr clever auf dem Transfermarkt, konnte einerseits Spieler aus der eigenen Jugend für viel Geld verkaufen und andererseits talentierte Spieler verpflichten und mit großem Gewinn weiterverkaufen. Neben den bereits erwähnten Jugendspielern, wie Benzema, Lacazette, Umtiti oder Fekir, machte Lyon in der jüngeren Vergangenheit zum Beispiel mit den Transfers von Lucas Paqueta zu West Ham, Bruno Guimaraes zu Newcastle United oder Malo Gusto zu Chelsea über 100 Millionen Euro Gewinn.

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Lucas Paqueta und Bruno Guimaraes brachten Olympique Lyon ein sattes Transferplus ein. (Photo by Frederic Chambers/Imago)

Darauf dürfte es auch in diesem Sommer ankommen. Die beiden Flügelspieler Nuamah und Malick Fofana galten ursprünglich als heiße Kandidaten für einen Abgang. Beide haben sich allerdings seitdem am Knie verletzt, sodass ein Verkauf für viel Geld im Sommer eher unwahrscheinlich ist. Das größte Ablösepotenzial im aktuellen Kader hat zweifelsohne Rayan Cherki. Das 21-jährige Eigengewächs gilt seit langem als großes Talent. In dieser Saison ist Cherki allerdings erstmals ein echter Leistungsträger im Team. Bisher gelangen dem flexibel einsetzbaren Offensivspieler wettbewerbsübergreifend neun Tore und bereits 18 Assists. Besonders seit dem Jahreswechsel ist Cherki aus Fonsecas Team nicht mehr wegzudenken und der wichtigste Spieler im Kader.

Auch in der französischen U21 überzeugt Cherki, kommt auf 22 Torbeteiligungen in 23 Einsätzen. Eine Nominierung für die A-Nationalmannschaft von Didier Deschamps scheint momentan nur eine Frage der Zeit zu sein. Doch Cherki bietet im Gesamtpaket deutlich mehr als nur Scorerpunkte. Der gebürtige Lyoner ist extrem beidfüßig, vergleichbar mit Ousmane Dembélé, dazu verfügt Cherki über eine herausragende Technik und Übersicht. Mit seiner feinen Ballbehandlung und Spielintelligenz kann er sich aus engen Situationen lösen und mit seinen Pässen Räume finden, die anderen Spielern verborgen bleiben. Dies macht Cherki auf dem internationalen Transfermarkt heiß begehrt. Unter anderem soll der BVB nach dem geplatzten Transfer im Winter erneut Interesse haben.

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Rayan Cherki ist absoluter Schlüsselspieler und heißer Verkaufskandidat zugleich. (Photo by Ahmed Mora/Getty Images)

Unter Paulo Fonseca geht es sportlich seit Wochen bergauf

Trotz aller Unruhe und Ängste rund um den Verein, ist die Stimmung in Lyon durchaus gut. Dafür verantwortlich ist vor allem der sportliche Aufschwung. Zuerst wurde die Installation von Paulo Fonseca als Trainer und die damit verbundene Entlassung von Pierre Sage von vielen Seiten kritisch gesehen. Bisher geben die Ergebnisse den Entscheidungsträgern um Textor allerdings recht. Fonseca hat das Team erheblich stabilisiert. Seit seiner Sperre scheint es, als wäre der Klub und die Mannschaft noch enger zusammengerückt.

Im einem flexiblen 4-2-3-1-System lief vor allem die Offensive Lyons zuletzt auf Hochtouren. Neben Cherki sind auch Coretin Tolisso und Georges Mikautadze Figuren des Aufschwungs. Der 30-jährige Tolisso kann nach langer Zeit wieder an die Leistungen anknüpfen, die ihn einst zum teuersten Zugang der Bundesliga-Geschichte gemacht haben. Acht Torbeteiligungen sammelte der ehemalige Bayern-Spieler im Jahr 2025 bereits.

Georges Mikautadze kam im Sommer nach einer starken Europameisterschaft aus Metz nach Lyon. Nach einem holprigen Start hat er sich zuletzt in die Stammelf gespielt und agiert entweder an Stelle von Kapitän und Routinier Lacazette im Sturmzentrum oder leicht zurückgezogen in der offensiven Dreierreihe. Auch Leihspieler Almada konnte bereits zeigen, zu welchen Leistungen er im Stande ist und dürfte aufgrund der Verletzungen von Fofana und Nuamah in den kommenden Wochen noch wichtiger werden. Außerdem ist auch Schlussmann Lucas Perri zu erwähnen. Der brasilianische Torwart kam im Januar 2024 ebenfalls aus Botafogo und verdrängte den langjährigen Stammkeeper Lopes auf die Bank.

In dieser Saison zählt Perri zu den besten Keepern in der Ligue 1. In der Liga und Europa League ist er bei den Expected-Goals-Prevented-Statistiken ganz vorne dabei, kassierte insgesamt gut 12 Tore weniger, als es anhand der Qualität der Abschlüsse wahrscheinlich gewesen wäre (fotmob.com).

Dies sind einige der Gründe dafür, dass Lyon acht der vergangenen zehn Spiele gewinnen konnte und in Ligue 1 inzwischen nur noch vier Punkte hinter der AS Monaco auf Platz zwei liegt. Die Qualifikation für die Champions League ist durch den starken Lauf in greifbarer Nähe, zumal die Konkurrenz, wie Olympique Marseille, OGC Nizza und Monaco zuletzt schwächelte.

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Corentin Tolisso ist unter Paulo Fonseca wieder zum Leistungsträger geworden. (Photo by Ahmad Mora/Getty Images)

Wie geht es weiter für Olympique Lyon?

Geht es nach John Textor ist die Lage klar: „Wir werden nicht absteigen, auf keinen Fall“, sagte Textor bereits kurz nach Verkündung des Urteils. Außerdem wäre das Verpassen der Qualifikation für die Champions League ein „Scheitern“ am Ende der Saison. Zu möglichen Abgängen sagte Textor: „Wenn wir gute Spieler verkaufen, werden wir diese ersetzen.“

Zumindest die Qualifikation für die Champions League ist gut möglich, sei es über die Liga oder sogar durch den Gewinn der Europa League. Wie die Umsetzung der beiden anderen Ankündigungen Textors läuft, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Ein gutes Ergebnis im Hinspiel gegen Manchester United soll zunächst der nächste Schritt in Richtung einer erfolgreicheren Zukunft von Olympique Lyon sein.

Jakob Haffke

Photo by Mourad Allili/Imago

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