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Rund um den Brustring
·23 February 2025
Im Sinkflug
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Rund um den Brustring
·23 February 2025
Beim Heimspiel in Sinsheim vergibt der VfB die nächsten wichtigen Punkte im Ringen um einen Europapokalplatz. Wie gegen Wolfsburg fühlt man sich in der eigenen Überlegenheit zu sicher und gibt das Spiel aus der Hand.
Letzte Woche Justin Diehl, am Sonntagabend Jeff Chabot. Erneut ein Gegentor spät im Spiel. Neun hat man bereits in der Schlussviertelstunde kassiert, Spitzenwert zusammen mit Freiburg. Und am Ende sind es aber nicht die individuellen Fehler einzelner Spieler, die den Punktverlusten zugrunde liegen, sondern ein schleichender Spannungsabfall, der sich in leichtfertigen Pässen und unnötigen Kunststückchen Bahn bricht. Als Alexander Nübel direkt vor der Pause einen Schuss von Andrej Kramaric parieren konnte, hätte das ein Weckruf sein müssen.
Stattdessen ließ sich die Mannschaft mit dem Brustring immer mehr das Spiel aus der Hand nehmen, kam zwar noch zu Chancen, wurde aber hinten immer anfälliger, bis schließlich kam, was kommen musste: Hoffenheim kam mit gleich drei Spielern über den linken Flügel schnell nach vorne und dieses eine Mal bekam die VfB-Abwehr den Ball eben nicht weg. In der Vorwoche sah sich Sebastian Hoeneß bis zum Gegentor für das zurückhaltende Spiel seiner Mannschaft bestätigt und auch am Sonntagabend war man sich scheinbar einig, dass das bis auf das zweite Tor eigentlich alles so passte.
Es reicht aber so leider nicht. Nick Woltemade, im Sommer ablösefrei aus Bremen gekommen, hat mittlerweile nach Toren zum 50-Millionen-Sturm Undav und Demirovic aufgeschlossen. Undav ließ zwar beim 1:0 geschickt den Ball durch, setzte seinen Körper gut ein und spielte den ein oder anderen klugen Pass — nur selber traf er leider nicht. Demirovic, dem bislang die Rolle des mannschaftsdienlichen, aber glücklosen Angreifers zukam, wurde wie Enzo Millot erst nach geschlagenen 72 Minuten eingewechselt. Spieler wie Trainer vertrauen aktuell sehr stark auf die bereits gezeigte Fähigkeit, Spiele auch spät noch entscheiden zu können. Vielleicht zu sehr.
Denn bereits in Mainz und gegen Gladbach baute die Mannschaft nach starken Phasen rapide ab. Gegen Wolfsburg und jetzt in Hoffenheim wog man sich zu lange in Sicherheit, wurde nach der eigenen Führung zu nachlässig und profitierte dabei noch von der Harmlosigkeit des Gegners. So schön das 1:0 herausgestellt war, in der Folge fehlte die Gradlinigkeit in den Aktionen. Einzig Chris Führich sorgte für Aufregung in der Hoffenheimer Abwehr, war aber dabei wieder zu sehr darauf fixiert, selber zu glänzen. Zu viele Pässe wurden im letzten Drittel unsauber gespielt und wie schon häufiger in dieser Spielzeit blieb das Spiel damit zu lange offen.
Das Problem liegt also nach wie vor in der Offensive und weniger in der erneut neu aufgestellten Defensive, in der Finn Jeltsch ein richtig starkes Debüt zeigte. Spieler wie Millot, Undav, Demirovic und Leweling sind weiterhin nicht in der Lage, ihr enormes Potenzial abzurufen, ihre Topform fehlt dem VfB gerade massiv. Und das mit dem Potenzial ist eigentlich das, was mich am meisten ärgert. Denn natürlich wäre auch ein Mittelfeld-Platz zwei Jahre nach der Relegation immer noch völlig in Ordnung. Wenn man damit nicht eine große Chance vergeben würde.
Denn es ist ja nicht so, als wäre der Ausflug in die obere Tabellenhälfte letzte Saison eine Eintagsfliege gewesen. Die Mannschaft hat über weite Strecken der bisherigen Spielzeit gezeigt, dass sie in der Lage ist, um die ersten sechs Plätze und damit den Europapokal mitzuspielen. Seit ziemlich genau einem Monat aber befindet sich der VfB im Sinkflug und ist nicht in der Lage, sich wieder Aufwind zu verschaffen. Die Abstände nach oben sind immer noch im Rahmen, allerdings trifft man in den nächsten vier Wochen auf die drei erstplatzierten Mannschaften der Tabelle.
In der derzeitigen Verfassung kann es nur darum gehen, in diesen Spielen den Anschluss nach oben nicht völlig zu verlieren, um im April und Mai mit Spielen in Bochum, gegen Bremen, bei Union, gegen Heidenheim, auf St. Pauli, gegen Augsburg und in Leipzig noch mal angreifen zu können. Denn auch angesichts der Transferausgaben im vergangenen Sommer und der Ambitionen einiger Spieler ist der sechste Platz eigentlich Pflicht. Dafür reicht es aber nicht, nur an die eigene Stärke zu glauben. Ich will sie auch auf dem Platz sehen.
Titelbild: © Alex Grimm/Getty Images