MillernTon
·11 January 2025
MillernTon
·11 January 2025
Beim Spiel zwischen dem FC St. Pauli und Eintracht Frankfurt kam es im Gästeblock zu einer queerfeindlichen Aktion.(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Wir haben in der MillernTon-Redaktion schon oft die Diskussion geführt, ob wir Tapeten in Fankurven aufgreifen, wenn da Scheiße draufsteht. Will man den Gehirnfürzen, die sich in Form und Farbe auf den Tapeten wiederfinden, die Aufmerksamkeit geben? Oder ist das genau das, was nicht passieren sollte? Wir haben da keine einheitliche Linie. Mal reagieren wir darauf, mal ignorieren wir es, weil wir das einfach nicht noch reproduzieren wollen.
Dabei ist uns sehr wohl bewusst, dass gezeigte Tapeten in Fankurven den Ansprüchen wissenschaftlicher Arbeiten natürlich nicht genügen. Sie sind zumeist kurz, prägnant, oft provozierend, meist polarisierend. Und so ist der Ton auf Tapeten oft schärfer. Damit Aufmerksamkeit erregt wird. So war zum Beispiel im Gästeblock beim Spiel zwischen dem FC St. Pauli und Eintracht Frankfurt auf einer Tapete zu lesen: „Eure Toleranz endet an der Spitze der Impfnadel“, zusammen mit einer Spritze auf der „5G“ geschrieben stand. Das ist stumpf und (edit: als Reaktion auf die Regelungen am Millerntor während der Pandemie) Jahre zu spät, um ernsthaft Aufsehen zu erregen und sowieso auf bedenklich unterstem Aluhut-Niveau – und deshalb zu ignorieren, weil noch nicht einmal ernstzunehmen. Doch eine Tapete im Block der Frankfurt-Anhänger*innen ignorieren wir nicht.
Beim Spiel zwischen dem FC St. Pauli und Eintracht Frankfurt wurde m Gästeblock eine Tapete gezeigt, die einfach in keiner Weise zu akzeptieren ist. Dort stand in großer Schrift „CBD statt CSD“ zu lesen. Ein Hinweis darauf, wer in der Frankfurter Fanszene dafür verantwortlich ist, fehlte auf der Tapete. CBD ist ein Cannabinoid, was der CSD ist, muss hier hoffentlich niemandem mehr erklärt werden. Und bevor hier jemand auf die Idee kommt, das irgendwie anders zu interpretieren: Wer CSD als Kürzel irgendwo draufschraubt, meint damit nichts anders als den Christopher Street Day oder nimmt mindestens billigend in Kauf, dass das so verstanden wird. So oder so: Die Tapete ist zutiefst queerfeindlich.
Jede Diskussion darüber, ob das nur polarisieren und provozieren sollte, erübrigt sich. Solche Aussagen sind völlig inakzeptabel und in keiner Weise zu tolerieren oder zu ignorieren. So eine Scheiße hat am Millerntor (wo es per Stadionordnung auch verboten ist) und sonstwo nichts zu suchen.
Im Millerntor-Stadion wird im Stehplatzbereich der Gästefans von einigen Frankfurt-Anhängern eine Banner gezeigt, auf dem geschrieben steht: „CBD statt CSD“ // (c) Stefan Groenveld
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass man von der Eintracht-Fanszene ganz Anderes zu sehen bekam. Zwar ist es schon einige Jahre her, aber 2018 gab es zum Beispiel eine große Choreo in der Nordwestkurve unter dem Motto „United Colors of Frankfurt – Eintracht lebt von Vielfalt“ – der Samstag am Millerntor zeigte, dass sich Teile der Fanszene davon ziemlich weit entfernt haben (oder schon immer queerfeindlich waren). Und irgendwie passt es dann leider auch ins Bild einer Frankfurter Fanszene, denen in Teilen das Label „unpolitisch“ anhaftet.
Sehr schnell reagierte die Südkurve auf die queerfeindliche Äußerung im Gästeblock. Während der zweiten Halbzeit war dort auf einer Tapete zu lesen: „Ein Tag auf dem CSD – Besser als ein Leben auf CBD“. Eine spontane und sehr gute Reaktion auf das, was im Gästeblock gezeigt wurde. Auch äußerten in den Sozialen Medien vielfach Frankfurt-Anhänger*innen ihr Entsetzen darüber, was dort am Millerntor als Tapete gezeogt wurde. Pauschalisierungen sind also nicht angebracht. Die Tatsache, dass eine queerfeindliche Tapete im Block der Frankfurt-Anhänger*innen gezeigt wurde, ist aber mit aller Schärfe zu veruteilen.
Update, 12.01., 11:20 Uhr: Auch der FC St. Pauli verurteilt die Aktion scharf, schreibt uns in einem Statement: „Selbstverständlich sind solche queerfeindlichen Äußerungen zu verurteilen und per Stadionordnung am Millerntor verboten.“ Der Verein hebt aber auch hervor, dass man vielerorts Kritik wahrnehmen konnte: „Was uns aber in diesem Kontext positiv auffällt, ist der Widerspruch gegen solche Aktionen, den wir auf vielen Ebenen wahrnehmen, sei es im Stadion oder den sozialen Medien. Dass viele Menschen nicht bereit sind, den Versuch, Queerfeindlichkeit zu normalisieren und die Grenzen des Sagbaren weiter zu verschieben, kommentarlos hinzunehmen, sollte allen, die für eine vielfältige Gesellschaft einstehen, Mut machen.“
Lieb doch wen Du willst!// Tim
Den ausführlichen Spielbericht zur Partie, findet ihr hier: Nur ein Marmoush besser
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