90PLUS
·15 March 2025
Mainz und Freiburg träumen von der Königsklasse: Was die Senkrechtstarter auszeichnet

90PLUS
·15 March 2025
Der 1. FSV Mainz 05 und der SC Freiburg mischen die Bundesliga auf und dürfen sogar von der Champions League träumen. Am Samstag treffen die Überraschungsteams im direkten Duell aufeinander.
Bayern auf der Eins, klar, gefolgt von Bayer 04 Leverkusen. Im Tabellenkeller kämpfen Kiel, Bochum, Heidenheim und St. Pauli ums Überleben. An vielen Stellen gibt die Tabelle der Bundesliga nach 25 Spieltagen ein wenig überraschendes Bild ab. Doch hinter der Tabellenspitze haben sich mit dem 1. FSV Mainz 05 und dem SC Freiburg zwei Sensationsmannschaften in die Spitzengruppe geschlichen und peilen die erstmalige Teilnahme an der Champions League an.
Julian Schuster trat beim SC Freiburg das schwierige Erbe von Trainerlegende Christian Streich an und liefert gleich in seiner ersten Saison voll ab. Platz fünf und 41 Punkte sind ein herausragendes Zwischenergebnis, nur ein Zähler trennt die Breisgauer von dem vierten Platz.
Noch besser ist derweil Mainz 05 unterwegs. Die Rheinhessen, trainiert von Bo Henriksen, haben in dieser Saison eine Metamorphose vom Abstiegskandidaten zum Königsklassen-Anwärter durchlaufen, ähnlich wie vor einem Jahr der VfB Stuttgart. Mit 44 Punkten haben sich die 05er mittlerweile auf Platz drei vorgeschoben.
Am Samstag (15:30 Uhr, Sky) treffen die beiden Überraschungen der Saison im direkten Duell aufeinander. Dass die Partie in der Mewa-Arena nicht weniger als ein richtungsweisendes Spiel um die Champions-League-Teilnahme ist, hätten vor der Saison nicht mal die kühnsten Optimisten zu prognostizieren gewagt.
Erst recht nicht in Mainz. In der Vorsaison sprang die Mannschaft nur dank einer herausragenden Rückrunde dem Abstieg in die 2. Bundesliga von der Schippe. Vor exakt einem Jahr kletterten die Rheinhessen durch ein 2:0 über den VfL Bochum auf den Relegationsplatz, nach 34 Spieltagen stand der direkte Klassenerhalt.
Dass das Team aus der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz nun plötzlich im Konzert der Großen mitspielt, ist untrennbar mit drei Personen verknüpft: Bo Henriksen, Nadiem Amiri und Jonathan Burkardt. Der Däne Henriksen übernahm im Februar 2024 von Jan Siewert und entfachte mit seiner emotionalen, herzlichen Art neues Feuer beim damaligen Tabellenvorletzten.
Kurz vor dem 50-jährigen Coach schlug Nadiem Amiri in Mainz auf. Bei Bayer Leverkusen nur Ergänzungsspieler, wollte der Edeltechniker wieder eine tragende Rolle spielen. Der fünfmalige Nationalspieler nahm sich der Aufgabe Abstiegskampf ab der ersten Sekunden voll an und schwang sich in einer verunsicherten Truppe gleich zum Leader auf.
Nadiem Amiri und Jonathan Burkardt sind die Gesichter des Mainzer Aufschwungs. (Photo by Juergen Schwarz/Getty Images)
Amiri blieb den 05ern trotz lukrativer Angebote erhalten und knüpft in der laufenden Saison nahtlos an seine starken Leistungen an. Mit Neuzugang Kaishu Sano – auch der Japaner entpuppte sich als Volltreffer – bildet der ehemalige Hoffenheimer das Herzstück in Henriksens 3-4-2-1. Sechs Tore und drei Vorlagen steuerte Amiri bisher zum Gipfelsturm der Mainzer bei und wurde von Julian Nagelsmann mit der ersten DFB-Berufung seit über vier Jahren belohnt.
Mit Jonathan Burkardt schaffte es ein weiterer 05er ins Aufgebot der Nationalmannschaft. Der Stürmer gilt schon lange als Zukunftsversprechen, doch allzu oft bremsten ihn Verletzungen aus. Mit kleineren Blessuren hat der 24-Jährige weiterhin andauernd zu kämpfen, die Zwangspausen hielten ihn aber nicht davon ab, zum besten deutschen Torjäger der Bundesliga zu avancieren.
14 Tore erzielte der gebürtige Darmstädter in der laufenden Saison bereits, debütiert im Oktober für die DFB-Elf. Mittlerweile ist das Eigengewächs sogar Bundesliga-Rekordtorschütze bei seinem Verein. Burkardt bildet die Speerspitze in Henriksens System, liefert mit seinem Aufwand gegen den Ball, seinem Tempo und einem starken Abschluss das perfekte Gesamtpaket für das intensive Spiel des Dänen.
Um Burkardt herum wirbeln meist Jae-Sung Lee und U21-Nationalspieler Paul Nebel, ergänzt von Nelson Weiper und Armindo Sieb. Über die Außenbahnen machen Anthony Caci und Philipp Mwene Dampf. Keine großen Namen, aber grundsolide Bundesliga-Spieler, die perfekt in ein System mit Dreierkette passen und mit zehn Vorlagen großen Anteil am Erfolg haben. Im Tor ist Robin Zentner ein verlässlicher Rückhalt.
Henriksen hat es geschafft, das Talent des Kaders in einem passenden Spielsystem maximal zur Entfaltung kommen zu lassen. Angetrieben von Amiri und Burkardt lässt der 50-Jährige hochintensiv pressen und blitzschnell in die Offensive umschalten. Dabei stellen die Rheinhessen nach dem FC Bayern die zweitbeste Abwehr und sind vorne wahnsinnig effektiv. 12% ihrer Torschüsse landen im Netz – Ligabestwert!
Julian Schusters Einstieg beim SC Freiburg war deutlich weniger turbulent als der von Henriksen in Mainz. Die Fußstapfen, in die der langjährige Kapitän der Breisgauer treten musste, waren allerdings gigantisch. Nach 13 Jahren nahm Christian Streich seinen Hut, die Nachfolge des Erfolgscoaches traute man beim SCF dem unerfahrenen Schuster zu.
Die Freiburg-typische interne Lösung wurde schnell zum Glücksgriff. Schuster baute auf das gesunde Fundament auf, das sein Vorgänger ihm hinterlassen hatte und brachte eigene Elemente in das Spiel der Freiburger ein. Im Sommer verließ kein unumstrittener Leistungsträger den Verein, dafür wurde das Team mit Eren Dinkci und Patrick Osterhage smart ergänzt.
Weiterhin nicht wegzudenken: Freiburgs Top-Scorer Vincenzo Grifo. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)
Die Achse in einer homogenen Mannschaft bilden Torhüter Noah Atubolu, der nach wackliger Debüt-Saison immer mehr in seine Rolle wächst, die Verteidiger Matthias Ginter, Philipp Lienhart und Christian Günter sowie Maximilian Eggestein, Vincenzo Grifo und Ritsu Doan. Im Winter stieß mit Jan-Niklas Beste eine weitere namhafte Verstärkung hinzu.
Freiburg geht meist in einem klassischen 4-2-3-1 ins Rennen, wobei Schuster auf der Zehn je nach Gegner mal einen gelernten Stürmer wie Dinkci oder Lucas Höler, mal einen Box-to-Box-Spieler wie Merlin Röhl aufbietet. Dauerbrenner Grifo und Doan bilden die Flügelzange, halten sich aber gerne in der Zentrale auf, um Platz für hinterlaufende Außenverteidiger zu schaffen. So tauchen die Hochbegabten immer wieder selbst gefährlich vor dem Tor auf und kommen zusammen bereits auf 16 Treffer in der Bundesliga.
Neben den sportlichen Aspekten trägt auch das Umfeld an der Dreisam zum Erfolg bei. Wie gewohnt arbeiten alle im Verein in Ruhe und ohne den großen Druck daran, den SC Freiburg Stück für Stück weiter wachsen zu lassen. Selbst nach dem furiosen Start in die Saison wurde niemand hysterisch und rief plötzlich die europäischen Ränge als Ziel aus. Auf der anderen Seite zweifelt auch in schwächeren Phasen niemand am gemeinsamen Weg. Genau diese Besonnenheit hat den SCF in all den Jahren unter Streich zu einem gestandenen Bundesligisten machen lassen und immer wieder auch ins internationale Geschäft gespült.
Das umkämpfte Hinspiel endete 0:0 – damals träumte noch niemand von der Königsklasse. (Photo by Alex Grimm/Getty Images)
Die Breisgauer waren zuletzt 2023/2024 europäisch vertreten, damals scheiterten sie im Achtelfinale der Europa League an West Ham. Mainz wartet sogar bereits seit 2016 auf internationalen Fußball. In der Spielzeit 2016/2017 war schon in der Gruppenphase Endstation.
Die Königsklasse wäre ohnehin für beide Neuland, ist mittlerweile aber ein realistisches Ziel. Die Konkurrenz aus Frankfurt, Stuttgart und Leipzig schwächelt, Borussia Dortmund ist in dieser Spielzeit ohnehin unter ferner liefen. Allerdings wartet auf beide noch das direkte Duell mit Eintracht Frankfurt, die 05er müssen zudem noch nach München und empfangen am letzten Spieltag Bayer 04 Leverkusen.
Einen Leistungseinbruch muss man derzeit weder an der Mewa-Arena, noch im Europa-Park-Stadion befürchten. Beide Teams wirken sehr gefestigt, beide Trainer vertrauen auf eine stabile Achse und können sich auf ihre Leistungsträger verlassen. Bleiben Mainz und Freiburg von Verletzungspech verschont, stehen in der nächsten Saison viele spannende Reisen quer über den Kontinent bevor – ob in der Königsklasse oder eine Etage tiefer in der Europa League.
Photo: IMAGO
Live
Live
Live
Live
Live