Buchrezension: Die Gauligen von 1933 bis 1945 | OneFootball

Buchrezension: Die Gauligen von 1933 bis 1945 | OneFootball

Icon: MillernTon

MillernTon

·1 de mayo de 2025

Buchrezension: Die Gauligen von 1933 bis 1945

Imagen del artículo:Buchrezension: Die Gauligen von 1933 bis 1945

Wenn ein Buch den etwas sperrigen Titel „Die Gauligen im Deutschen Reich von 1933 bis 1945 – Teil 1: Ostpreußen. Pommern, Berlin-Brandenburg – Schlesien – Sachsen – Mitte – Nordmark – Niedersachsen“ hat, dann weiß man, dass man beim DSFS ist.

Der Einfachheit halber übernehme ich für meine Einleitung dieser Buchbesprechung gerne den Originaltext des herausgebenden „Deutschen Sportclubs für Fußballstatistiken“ (www.dsfs.de): „1933 erfolgte die völlige Umstrukturierung des deutschen Sportes. Die sieben Regionalverbände mussten sich auflösen und der deutsche Sport mit seinen Sportarten wurde in sogenannten „Fachsäulen“ (Fachsäule Fußball) neu organisiert. Analog zu den NSDAP-Gauen wurden 16 Fußballgaue gegründet, die den Spielbetrieb im Deutschen Reich zu organisieren hatten.“


OneFootball Videos


Aufgrund der Fülle an Informationen haben die Fußballstatistiker (ja, es sind nur Männer) mit Vereinssitz in Wiesbaden das Unterfangen, die zwölfjährige Geschichte des später bis auf 23 Gauligen anwachsenden Ligasystems statistisch zu erfassen, in zwei jeweils mehrere Hundert Seiten starke Hardcover-A4-Bände gesplittet (Band 1: 419 Seiten, Band 2: 518). Neben dem mir vorliegenden Band 1, der die im Untertitel genannten Gaue umfasst, beschäftigt sich Band 2 mit den Staffeln Westfalen, Niederrhein, Mittelrhein, Hessen, Südwest, Baden, Württemberg, Bayern, Ostmark/Donau-Alpenland, Sudetenland, Böhmen und Mähren, Elsass, Danzig-Westpreußen, Wartheland und Generalgouvernement. Band 1 ist für mich/uns/euch insofern wohl deutlich interessanter, weil er sich eben auch mit dem Nordmark-Gau beschäftigt, in dem beispielsweise unser FC St. Pauli in acht der zwölf Ligajahre unterwegs war.

FC St. Pauli anfangs nur zweitklassig

Doch, tatsächlich, auch damals schon ging es für den FCSP mal rauf und mal runter. So zählte man eben auch nicht zu den Gründungsvereinen der ersten Gauligasaison 1933/34, weil man die Vorsaison in der Oberliga Nord (Groß-Hamburg) lediglich als Tabellensechster abgeschlossen hatte. Somit setzte sich die Staffel der ersten Gauliga-Nordmark-Saison aus folgenden zehn Vereinen zusammen: HSV, Altona 93, Union 03 Altona, SV Polizei Hamburg, ETV, Viktoria Wilhelmsburg, Holstein Kiel, FV Borussia Kiel, SV Polizei Lübeck, FC Schwerin. Und erster nördlichster Gauliga-Meister wurde 1934 der Eimsbütteler TV, mit einem Punkt Vorsprung vor den Rothosen, der damit an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft teilnahm.

Ins Spielgeschehen der höchstmöglichen Liga eingreifen konnte der FC St. Pauli dann erstmals 1934, nachdem man die Saison hinter Borussia Harburg als Tabellenzweiter in der zweitklassigen Bezirksklasse Hamburg (Hammonia-Staffel) beendet hatte und anschließend über insgesamt sieben Qualifikationspartien (gegen Victoria Hamburg, Polizei Lübeck, VfB Kiel und SV Oldesloe) in Hin- und Rückspielen die Fünfer-Qualifikationsgruppe als Dritter abschloss und somit der Aufstieg folgte. Man kam auf lediglich sieben Qualifikationsspiele, weil die Runde nach der letzten Partie am 29. Juli 1934 (ein 3:0 unseres Klubs gegen Oldesloe) abgebrochen wurde, zumal zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden war, wer aufsteigt (Victoria Hamburg und der FC St. Pauli) beziehungsweise nicht absteigt (Polizei Lübeck). Ergänzen muss man an dieser Stelle, dass die Jungs vom Heiligengeistfeld die Beletage dann 1935 auch gleich wieder als Tabellenletzter verlassen mussten, weil sie von ihren 18 Ligabegegnungen lediglich vier gewannen und zweimal Remis spielten: 10:26 Punkte bei 22:61 Toren.

Diese ganzen von mir beschrieben Sachverhalte, die bereits 90 Jahre zurückliegen, habe ich ohne großen Rechercheaufwand dem mir vorliegenden Buch entnehmen können, in dem alle Abschlusstabellen, alle Spiele mit Austragungsdaten, Kreuztabellen, alle Aufstiegs-, Entscheidungs- und Qualifikationsspiele und alle Ewigen Tabellen aus den acht genannten Ligen über zwölf Jahre hinweg dokumentiert sind. Die beinahe 950 Seiten der beiden von Silvio Stäbe recherchierten Publikationen schließen endgültig eine fußball-statistische Lücke, die 2003 mit der „Die Gauligen – Deutschland 1933/34 bis 1944/45“ benannten Erstauflage zu füllen begonnen wurde. Viele Jahre nahm sich Stäbe mit seinem unterstützenden Zehnmannteam Zeit, um dieses einmalige Konglomerat zusammenzustellen – und jede Seite rechtfertigt den auf den ersten Blick möglicherweise hoch erscheinenden Verkaufspreis von 37,80 Euro.

Zahlen, Daten, Fakten

Die allersten Begegnungen dieses neu geschaffenen Ligasystems wurden übrigens am 3. August 1933 in der Gauliga Schlesien ausgetragen: Hindenburg gegen Gleiwitz, Ratibor gegen Beuthen, FV Breslau gegen Vorwärts Breslau und Hertha Breslau gegen Breslauer SVgg hießen die Partien. Der schlesische Beginn des Ligabetriebs bildete insofern eine Ausnahme, weil fast alle anderen Gauligen erst am 3. September (spätestens aber am 10.9.) ins Geschehen eingriffen. So auch der Gau Nordmark, der mit den drei Spielen Polizei Hamburg gegen Polizei Lübeck (1:2), Schwerin gegen Wilhelmsburg (2:4) und Altona gegen Borussia Kiel (1:2) startete. Das erste Gauliga-Aufeinandertreffen des FC St. Pauli fand am 2. September 1934 statt, als man sein Heimspiel mit 0:2 gegen Altona 93 verloren geben musste.

Nun hatte ich bereits erwähnt, dass sich unser Verein bereits nach einem Jahr aus der Liga absentierte. Doch bereits 1936 gelang der sofortige Wiederaufstieg als Zweitligameister. Und erst mit dem Jahr 1940 – nachdem sich der FCSP in der Kriegsmeisterschaft Groß-Hamburgs (offiziell „Bereichsliga“) 1939/40 in einer Sechserstaffel (mit HSV, SC Victoria, Polizei Lübeck, Borussia Harburg, SC Concordia) zu messen hatte, musste man die höchste Liga als Tabellenletzter abermals verlassen Das 1:10 gegen den Hamburger SV am 17. März 1940 vor 2.500 Zuschauern hätte ich in diesem Zusammenhang gerne verschwiegen, aber da dies leider die historisch höchste Stadtderbyniederlage ist, darf das hier nicht unerwähnt bleiben.

Der Sprung ins Oberhaus gelang den Braun-weißen dann erst wieder im Jahr 1942, und hier hieß die höchste Staffel nun nach kriegsbedingten Umorganisationen plötzlich offiziell „Gauklasse“ und beheimatete nun ausschließlich Vereine aus Hamburg. Der SC Victoria wurde, vor dem HSV, Ligameister, der FCSP belegte Rang 4. In der Folgesaison 1943/44 gelang den Kiezkickern der fünfte Platz; Meister wurde, wenig überraschend, der Luftwaffensportverein (LSV) Groß-Hamburg, der ohne Qualifikation und mit aus dem gesamtem Reich zusammengeklaubten Spitzenspielern souverän (17 Siege, ein Unentschieden) die Staffel dominierte. In der letzten Nazi-Saison, also 1944/45, zog sich der LSV bereits im September 1944 aus dem Ligabetrieb zurück, und so gewann überlegen der Hamburger SV die letzte Gau-Meisterschaft im Hitler-Reich – der FCSP wurde Dritter.

Das letzte offizielle Ligaspiel in Hamburgs Gauklasse fand am 15. April 1945 statt, als der SC Victoria Hamburg seine Heimpartie gegen den FC St. Pauli mit 3:4 verlor – gut drei Wochen vor Kriegsende. Diese Begegnung war tatsächlich auch reichsweit der Schlussakkord nach einem zwölfjährigen Feldversuch, die mutmaßliche Alltagsnormalität in einem faschistischen Terrorregime mittels eines Volkssports wie dem Fußball einigermaßen aufrecht zu erhalten. Zum Glück gelang dies nicht dauerhaft. Aber warum so viele Vereine quasi bis zum Ende kritiklos mitgemacht haben, bleibt ein Rätsel.

Silvio Stäbe: „Die Gauligen im Deutschen Reich von 1933 bis 1945 – Teil 1: Ostpreußen, Pommern, Berlin-Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Mitte, Nordmark, Niedersachsen“, D.S.F.S., 419 Seiten, Hardcover, 37,80 Euro. Das Buch kann ausschließlich über die Homepage www.dsfs.de bestellt werden. // Ronny

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

// Teile diesen Beitrag mit Deinem Social Media Account (Datenübertragung erfolgt erst nach Klick)

Ver detalles de la publicación