
Löwenmagazin
·28 de mayo de 2025
Gastkommentar: Verlorene Talente, verschenkte Zukunft – 1860 stolpert weiter ins Gestern

Löwenmagazin
·28 de mayo de 2025
In dieser Woche gab der TSV 1860 bekannt, dass auch Lukas Reich den Verein verlassen wird. Nach Raphael Ott, Tim Kloss und Marco Hiller der nächste Spieler aus dem eigenen NLZ. Obwohl Geschäftsführer Dr. Christian Werner breit lächelnd suggeriert, wie wichtig Identifikation mit dem Club sei, lässt er einen Vollblutlöwen nach dem Anderen ziehen. Ein Gastkommentar von Benedikt Niedergünzl.
Während auf der offiziellen Bühne der „große Aufbruch“ inszeniert wird, wirkt das tägliche Handeln beim TSV 1860 München einmal mehr wie eine Fortsetzung der immer gleichen Tragikomödie: fehlende Strategie, überhastete Symbolpolitik, und ein fahrlässiger Umgang mit den letzten verbliebenen Identifikationsfiguren des Klubs.
Mit Lukas Reich verlässt nun auch das nächste hochveranlagte Eigengewächs die Löwen – mutmaßlich für rund 500.000 Euro Ablöse in Richtung SpVgg Greuther Fürth. Er steht aktuell im Kader der deutschen U19-Nationalmannschaft und hat in seiner Jugend nicht nur das Sechzig-Wappen getragen, sondern tatsächlich in Löwen-Bettwäsche geschlafen. Ein Spieler, den man sich nicht besser hätte ausdenken können, wenn man sich eine neue Generation mit echter DNA hätte wünschen dürfen. Dass er in der Rückrunde kaum noch spielte, obwohl seine Leistungen Anlass dazu gegeben hätten – unverständlich. Dass man es erneut versäumte, rechtzeitig eine vorzeitige, langfristige Vertragsverlängerung auf den Weg zu bringen – symptomatisch. Wieder mal.
Auch Raphael Ott ist weg. Der nächste junge, talentierte Spieler aus der eigenen Akademie hat dem Verein den Rücken gekehrt. Seine Begründung bei der Vorstellung bei Viktoria Köln spricht Bände: „Die Philosophie des Vereins gefällt mir sehr gut. Junge Spieler bekommen hier ihre Chancen und können sich gut entwickeln.“ Ein Satz, der wie eine Ohrfeige für jeden klingen muss, der bei 1860 für die Talentförderung zuständig ist. Dass auch Tim Kloss ein Vertragsangebot der Löwen abgelehnt hat, komplettiert das Bild: Der Verein verliert nicht nur seine Spieler – er verliert seine Zukunft.
Was all diese Personalien eint, ist nicht bloß das Versäumnis, sportliches Potenzial zu erkennen oder wirtschaftlich abzusichern. Es ist das immer gleiche Muster: Perspektivlosigkeit. Ideenlosigkeit. Und eine Führung, die entweder nicht kann – oder nicht darf.
Gleichzeitig feiert man die Rückkehr zweier Spieler aus dem eigenen Nachwuchs: Kevin Volland und Florian Niederlechner. Ohne Zweifel sind das Namen, die Emotionen wecken – und für viele Fans ein Hoffnungsschimmer in grauer Drittliga-Tristesse. Aber so sehr sie für eine romantische Erinnerung an bessere Zeiten stehen, so sehr muss man auch sagen: Sie sind 32 und bald 35. Sie sind nicht die Zukunft. Und so sehr sie kurzfristig sportlich helfen können – ihr Wirken ändert nichts an den strukturellen Defiziten, die diesen Verein seit Jahren lähmen.
Denn wer glaubt, der Weg in die 2. Liga allein würde die Probleme lösen, der hat die Rechnung ohne das gemacht, was an der Grünwalder Straße wirklich bremst: Die destruktive Gesellschafterkonstellation. Ein Investor, der sich seit Jahren als Zünglein an der Blockade-Waage positioniert, hält den Klub in Geiselhaft – mit widersprüchlichen Aussagen, angeblichen Verkaufsabsichten, aber keinerlei glaubhaftem Signal, das sein Rückzug wirklich bevorsteht. Solange sich hier nichts ändert, wird jede Hoffnung auf nachhaltigen Fortschritt ein Kartenhaus bleiben.
Was 1860 heute fehlt, ist nicht nur sportliche Qualität, sondern etwas viel Tieferes: Haltung. Ein Plan. Ein gemeinsames Zielbild. Wer sind wir? Wie wollen wir gesehen werden? Und vor allem: Wo wollen wir hin?
Die Abgänge von Hiller, Reich, Ott und Kloss zeigen exemplarisch, wie Sechzig seine Identität – und wirtschaftliche Chancen – aufs Spiel setzt. Denn gerade in der 3. Liga wären Transfereinnahmen, auch über Weiterverkaufsbeteiligungen, ein unverzichtbarer Bestandteil jeder soliden Finanzstrategie. Aber diese wird regelmäßig torpediert – durch kurzfristige Denke, fehlende Kommunikation und ein Klima, in dem weder junge Spieler noch kluge Köpfe langfristig arbeiten wollen.
Und das ist das eigentliche Drama. Nicht die Ergebnisse auf dem Rasen. Sondern die Tatsache, dass dieser Verein alles hat, was er bräuchte, um ein echtes Leuchtturmprojekt zu sein – und es dennoch Jahr für Jahr verspielt.
Der Preis für den kurzfristigen Glanz von Rückkehrern wie Volland und Niederlechner wird erst später sichtbar: Wenn man erkennt, dass man wieder einmal nicht in die Substanz investiert hat. Dass man wieder einmal nicht erkannt hat, was man eigentlich hatte. Und dass man, wie so oft, zu spät kommt.
Es ist Zeit, nicht auf die nächste „große Geste“ zu hoffen, sondern auf kleine, nachhaltige Schritte. Mit jungen Spielern. Mit einer klaren Struktur. Und vor allem mit einem Verein, der sich endlich wieder selbst versteht.
Gastkommentar von Benedikt Niedergünzl vom 28. Mai 2025