Außenverteidiger mit Füßen aus Samt: Mit Marcelo geht einer der Allergrößten | OneFootball

Marcelo wird für immer eines der Symbole der wohl größten Erfolgsära des modernen Fußballs bleiben – Foto: Denis Doyle/Getty Images

Obwohl er Real Madrid schon vor zweieinhalb Jahren verlassen hatte, obwohl das Karriereende alles andere als überraschend kam, empfinde ich seit dem gestrigen Donnerstag und der offiziellen Verkündung des Endes des aktiven Fußballers Marcelo eine gehörige Portion Wehmut. Gleichzeitig aber auch eine umso größere Dankbarkeit – ich bin dankbar dafür, dass ich die gesamte Laufbahn eines – in meinen Augen – der besten und großartigsten Fußballer überhaupt und um Allgemeinen verfolgen und erleben durfte. Noch dankbarer bin ich, dass diese legendäre Karriere zum größten Teil bei Real Madrid stattgefunden hat. Wehmütig bin ich wegen der Erkenntnis, dass uns allen – nicht nur Real-Madrid-Fans, sondern allen Bewunderern des schönen Fußballs – nur noch YouTube-Highlights mit den schönsten Ballannahmen, die diese Sportart je gesehen hat, bleiben. Es bleiben aber auch und vor allem Erinnerungen, und was für welche!

„O Jogo Bonito“, zu Deutsch: Das schöne Spiel. Nein, den Slogan hat nicht einer der großen Sportartikelhersteller Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre erfunden, obwohl er durch berühmten die Werbespots mit Ronaldo Nazário, Romario und Roberto Carlos zu einer globalen Marke wurde. Geprägt wurde der Begriff von einem englischen Fernsehreporter für das Fußballspiel an sich, inspiriert vom besonderen Stil der brasilianischen Fußballnationalmannschaft, die sich 1958 in Schweden zum ersten WM-Titel kickte. Seitdem ist „O Jogo Bonito“ Sehnsucht und Verpflichtung zugleich. Gewinnen muss sein, aber Schönheit ist fundamental. Für mich steht Marcelo wie kein anderer für die ganz wenigen, die diesen historischen Spagat hinbekommen haben – im modernen Fußball hat es womöglich kein anderer in der Form so gut hinbekommen wie Reals Madrids ikonischer Linksverteidiger. Mit den Königlichen gewann der Wuschelkopf buchstäblich alles, mit 25 Titeln im weißen Trikot gehört er längst zu den erfolgreichsten Protagonisten in der Geschichte des erfolgreichsten Klubs der Welt. Gleichzeitig stand er immer für all das Schöne am Fußball, und zwar auf dem aller höchsten Level. Niemand konnte Gewinnen so schön aussehen lassen wie Marcelo.

Als jemand, der den Fußball seit Jahrzehnten leidenschaftlich verfolgt, kann ich mich an keinen anderen Spieler erinnern, der mit dem Ball so innig verbunden und befreundet war. Natürlich konnte Ronaldinho auch alles mit und am Ball, doch ihm fehlte es auf Strecke an der nötigen Menge professioneller Hingabe, während Marcelo über Jahre hinweg immer ein Vollblutprofi war. Niemand konnte lange Pässe so wunderschön annehmen wie er, der Ball klebte jedes Mal nicht nur an Marcelos linkem Fuß. Niemand konnte und kann auf dem Niveau die kompliziertesten Dinge im Fußball so natürlich und leicht aussehen lassen, den Ball so selbstverständlich streicheln, als wären seine Füße aus Samt. Nicht nur außen fühlte sich der fünffache Champions-League-Sieger wohl, auch die Mitte des Spielfelds war sein Zuhause und ganz vorne fand er oft genug Lösungen eines Stürmers. Und immer sah er dabei aus, als würde es sich um einen sonntäglichen Kaffeenachmittag in der Madrider Innenstadt handeln.

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In meiner persönlichen, subjektiven Beurteilung ist Marcelo der beste Linksverteidiger in Reals Madrids Geschichte, und das schreibe ich als jemand, der Roberto Carlos bis zum heutigen Tag verehrt. Was mir bei dessen Nachfolger immer am meisten imponiert hat, ist das Durchsetzungsvermögen und der unbedingte Wille, es zu schaffen, es allen zu beweisen. Als der aus ärmlichen Verhältnissen stammende, damals 18-jährige Junge aus Rio de Janeiro 2006 zu den Königlichen kam, überzeugte er ziemlich schnell durch seine Offensivqualitäten, während sein Abwehrverhalten häufig in der Kritik stand. Deshalb wurde er von Juande Ramos und Manuel Pellegrini aus der Abwehr ins linke Mittelfeld versetzt, und als José Mourinho 2010 an die Concha Espina kam, wollte er den Brasilianer sogar komplett loswerden. Marcelo arbeitete aber unbeirrt an sich, entwickelte sich in defensiver Hinsicht enorm weiter, und setzte sich gegen alle Widerstände durch. Er hat es allen gezeigt und er hat es geschafft – in jeder Beziehung.

Wehmut kommt bei mir immer noch auf, dass diese große Karriere nicht bei seinem Verein, bei Real Madrid zu Ende gegangen ist, aber im Gegensatz zu vielen anderen, hat es Marcelo auch in der Hinsicht geschafft: Ein Karriereende bei seinem Heimatverein Fluminense, verbunden mit dem Gewinn der Stadtmeisterschaft von Rio de Janeiro und dem Titel in der Copa Libertadores – dem ersten in der Geschichte des Klubs – ist mehr als würdig gewesen. Mit Marcelo verlässt der in meinen Augen beste Außenverteidiger, einer der besten, großartigsten und erfolgreichsten Blancos und Fußballer aller Zeiten die Fußballbühne. Einer der Allergrößten eben – aller Zeiten. Einer, den es so wohl nie wieder geben wird, der dem Madridismo aber sicherlich erhalten bleiben wird.

Obrigado por tudo!

Marcelos Bilanz bei Real Madrid (2006 - 2022)