
Miasanrot
·12 Maret 2025
Taktikanalyse: Wie der FC Bayern München gegen Bayer Leverkusen das Spielglück erzwang

Miasanrot
·12 Maret 2025
Der FC Bayern München zeigt in beiden Spielen gegen Bayer Leverkusen eine sehr reife Leistung. Doch was sagt das über die Chancen in der Champions League? Die Analyse zum Achtelfinale.
Es war nur ein Achtelfinale in der Champions League. Doch es war gleichzeitig ein Duell, bei dem viel auf dem Spiel stand. Am Ende setzt sich der FC Bayern München in zwei Spielen mit 5:0 gegen Bayer Leverkusen durch.
In beiden Spielen zeigt der FCB dabei eine sehr reife und abgeklärte Leistung und rückt die Verhältnisse im deutschen Fußball wieder gerade. Doch wie bedeutsam sind diese beiden Spiele für den weiteren Weg in der Königsklasse?
Miasanrot mit der Nachbetrachtung und Analyse des Achtelfinals.
Nach dem 0:0 in der Bundesliga, das auch eine klare Niederlage hätte sein können, zeigten sich die Bayern in beiden Spielen deutlich verbessert. Einerseits mag das an der Frische gelegen haben. Spieler, die damals fehlten oder nicht richtig fit waren, waren nun voll auf der Höhe oder überhaupt wieder im Kader. Andererseits dürfte auch der Lerneffekt eine Rolle gespielt haben.
Leverkusen presste den FCB im Ligaduell hoch und mannorientiert und die Münchner fanden kaum Lösungen, mussten sehr viele unkontrollierte lange Bälle schlagen: Laut WhoScored waren es insgesamt 55. Das führte zu Ballverlusten. Vor allem aber war man ganz offensichtlich nicht auf diese langen Schläge vorbereitet und kam so auch nicht in die Zweikämpfe um zweite Bälle.
Das war in beiden Champions-League-Duellen anders. Im Hinspiel schlugen die Münchner zwar nur drei lange Bälle mehr als in der Bundesliga zuvor, aber diese waren deutlich besser vorbereitet. Häufig ging der Ball auf die Flügelpositionen, wo dann konsequent nachgeschoben und aggressiv gepresst wurde. Die Bayern reduzierten sich damit zwar auf ein sehr zweikampfbetontes Spiel, zeigten aber gleichzeitig, dass sie die taktische Flexibilität und die Spielertypen haben, um genau das erfolgreich umzusetzen.
Und auch im Rückspiel gab es wieder leichte Anpassungen. Zusätzlich zu den langen Bällen (55 an der Zahl) entwickelten die Münchner auch eine gute Strategie im Kurzpassspiel gegen das hohe Pressing der Werkself. Ein gutes Beispiel dafür ist die 5. Minute, als eine gute Ballbesitzphase zur ersten guten Chance führte. Zunächst drücken die Bayern ihren Gegner mit einem Angriff nach Ballgewinn hinten rein, dann verlagern sie auf den rechten Flügel, von wo man den Neuaufbau über die Verteidigung startet.
Leverkusen reagiert darauf erwartbar mit aggressivem Angriffspressing und läuft die Abwehrspieler der Gäste im Vollsprint an. Doch die Münchner sind wach. Noch als der Ball auf dem linken Flügel ist, machen Upamecano, Kim und Davies klare Bewegungen nach hinten, um das Spielfeld vertikal auseinander zu ziehen und so Zwischenräume zu öffnen. Upamecano spielt auf Kim, der lässt seinen Gegenspieler mit einem Direktpass auf Davies ins Leere laufen.
Hier kommt dann die Qualität von Davies zum Vorschein, die in der Bundesliga gefehlt hat. Der Kanadier nimmt sofort Tempo auf, geht die Linie entlang und spielt den entgegenkommenden Kingsley Coman an. Doch Davies bleibt nicht stehen, sondern nutzt den zuvor aufgezogenen Raum. Dieser entsteht durch das Herausrücken der Leverkusener und dadurch, dass die Verteidigung der Werkself nicht richtig mit durchschiebt. Womöglich auch deshalb, weil die Bayern mit vielen schnellen Offensivspielern in letzter Linie positioniert sind.
Davies löst mit seinem Lauf nun eine Rückwärtsbewegung bei gleich zwei, tendenziell sogar drei Leverkusenern aus. Denn nicht nur folgt ihm sein Gegenspieler, auch Frimpong (der zuvor Kim angelaufen war) und das zentrale Mittelfeld der Werkself orientieren sich nach hinten. Angriffspressing geknackt – und vor allem auch Raum für Kimmich und Musiala geöffnet. Generell gelang es den Münchnern gut, mit solchen Läufen Räume für die beiden Spielgestalter freizuziehen. Eine entscheidende Verbesserung zu den Vorjahren, wo es teilweise zu einfach für Gegner war, Kimmich aus dem Spiel zu nehmen.
Kimmich bekommt den Ball, verlagert auf Olise und der hat gemeinsam mit Laimer eine Zwei-gegen-zwei-Situation. Die bekommen sie zwar nicht schnell aufgelöst, aber Musiala schleicht sich währenddessen von Leverkusen nahezu unbemerkt vom einen auf den anderen Flügel und nutzt dort einen Raum, den die Verteidiger aufmachen, weil sie Olise und Laimer bei der Rückwärtsbewegung folgen.
Musialas herausragender Richtungswechsel bringt ihn in den Strafraum, wo er auf Kane querlegt. Doch der Engländer wird bedrängt und kann nicht kontrolliert abschließen. Ein Spielzug, der klar aufzeigt, dass die Bayern nicht nur mit langen Bällen gegen Leverkusen zum Erfolg kamen, sondern deren aggressive und teils etwas hektische Spielweise auch für ein kontrolliertes Kurzpassspiel mit Raumgewinn nutzen konnten.
Doch auch gegen den Ball gab es viele wichtige Momente. Von der Glanzparade von Manuel Neuer im Hinspiel nach nicht mal 15 Minuten bis hin zu einigen in letzter Sekunde geblockten Abschlüssen von Dayot Upamecano oder Minjae Kim. Die Gier und die Lust aufs Verteidigen sind bei den Bayern unter Vincent Kompany offenbar zurückgekehrt.
Auch unter Thomas Tuchel gab es Saisonphasen, in denen das recht gut aussah. Doch gerade im entscheidenden Frühjahr ging es mit der Disziplin eher dahin. Das war jetzt gegen Leverkusen vollkommen anders. Bayern presste hoch und aggressiv, verstand es aber auch gut, in tieferen Verteidigungsmomenten den Druck des Heimteams auszuhalten.
Dabei war gerade das in den letzten Jahren eines der Hauptprobleme: Standen die Münchner tief, gab es zu oft Situationen, in denen man das Auge für den Rückraum verlor. Auch gegen Leverkusen gab es in der ersten Halbzeit wenige Situationen, in denen das passierte. Eine davon war der Abschluss von Palacios nach rund zwölf Minuten, als Kimmich seinen Gegenspieler im Rücken aus den Augen verlor und Arthur auf dem Flügel nicht ausreichend bedrängt wurde.
Viele Abschlüsse bekam die Werkself im ersten Durchgang nicht hin – und das, obwohl sie eigentlich einen ganz guten Ansatz hatten. Immer mal wieder kombinierten sie sich vor allem auf dem rechten Flügel in den Strafraum. Neben Frimpong und Arthur halfen auch Xhaka und Palacios regelmäßig dabei, die Seite zu überladen. Frimpong versuchte es mit Diagonalläufen in die Schnittstellen und kam zwei-, dreimal recht gefährlich durch.
Doch die Bayern, wenn auch nicht immer sattelfest im Stellungsspiel, reagierten oft gut. Coman machte viele Meter nach hinten, verteidigte in der 24. Minute einmal stark gegen den einlaufenden Frimpong. Was die Bayern gruppentaktisch nicht optimal lösen konnten, machten sie mit Laufbereitschaft und hoher individueller Qualität im Defensivverhalten wieder gut.
Und so war vor allem die erste Halbzeit analog zum Spiel in München durchaus eine enge Partie auf Augenhöhe, die von den Anlagen her in beide Richtungen hätte kippen können. Aber die Münchner machten erneut mehr aus ihren gefährlichen Aktionen, erspielten sich die klareren Chancen und hatten defensiv die besseren Antworten auf die Druckphasen der Werkself.
Am Ende steht ein auf dem Papier sehr deutliches 5:0, das ohne Zweifel auch verdient ist. Hauptgrund dafür sind aber nicht irgendwelche statistischen Daten. Hier stehen laut FBref am Ende neben den fünf zu null Toren 4,7 zu 2,1 Expected Goals. Werte, die unterstreichen, dass die Bayern am Optimum gespielt haben, während Leverkusen aus den eigenen Möglichkeiten viel zu wenig gemacht hat.
Es ist müßig, hinterher darüber zu philosophieren, wie es weitergegangen wäre, hätte Leverkusen die Riesenchance zum Ausgleich im Hinspiel nicht vergeben oder hätte sich Mukiele im Zweikampf nicht so unklug angestellt. Oder hätte Hradecky bereits im Hinspiel zwischen den Pfosten gestanden. Aus Sicht des Deutschen Meisters lohnt der Blick auf diese Aspekte durchaus, wenn es in die Fehleranalyse geht. Insgesamt war man für ein Champions-League-Achtelfinale nicht clever und nicht reif genug.
Dem FC Bayern kann das aber egal sein. Denn es ist keinesfalls so, dass die Münchner hier von einem vermeintlichen Versagen des Gegners profitiert hätten. Leverkusen hat zwei sehr gute Spiele gemacht, hat den Rekordmeister vor Herausforderungen gestellt und durchaus mehr Lösungen gegen den FCB gefunden, als es das Ergebnis am Ende zeigt. Beide Spiele waren in der Anlage enger als ein 3:0 oder 2:0.
Aber die Münchner haben die Details auf ihre Seite gezogen. Sie haben Fehler beim Gegner erzwungen und abermals in dieser Saison eine Lernkurve im Vergleich zum Bundesliga-Spiel gezeigt. Sie hatten taktisch gute Antworten auf das, was der Gegner gemacht hat und sie hatten eine Grundeinstellung zum Spiel, die vor allem in den vielen kleinen Zweikämpfen einen Unterschied gemacht hat. Und genau deshalb ist dieser Sieg bei aller Ausgeglichenheit in mancher Spielphase auch in der Höhe in Ordnung.
Bleibt für den FC Bayern die Frage, ob das jetzt nicht nur der Befreiungsschlag in Bezug auf die Rivalität mit Leverkusen war, sondern auch in der Champions League. Dort wurden die Münchner zumindest von außen von einigen Zweifeln begleitet. Das 1:4 in Barcelona, die Niederlagen bei Aston Villa und Feyenoord – und dazu ein eher zähes Weiterkommen in den Play-offs gegen Celtic: Wird das reichen, um eine echte Chance auf den Titel zu haben?
Die Antwort scheint nach dem 5:0 gegen Leverkusen ein klares „Ja“ zu sein. Nach dem Spiel wollte Vincent Kompany bei Prime Video aber nichts davon wissen. Sein Fokus gehe immer aufs nächste Spiel. Der Belgier hakte die Partie in Leverkusen beinahe so ab, als hätte man gerade einen Pflichtsieg in der Bundesliga eingefahren.
Aber er hat gute Gründe dafür. Zu viel Hype ist selten gesund. Bei allem Respekt vor der Serie, die Leverkusen sich an ungeschlagenen Spielen gegen den FC Bayern aufgebaut hat: Die Münchner waren in fünf Aufeinandertreffen in dieser Saison viermal das bessere Team. Es scheint, als hätte Kompany die richtigen Mittel gegen die Werkself gefunden und als hätte man es hier nicht mit einem „Angstgegner“ zu tun, sondern mit einem Gegner, gegen den man ziemlich gerne spielt. Das würde auch erklären, warum der Bayern-Trainer vor der Auslosung eher Leverkusen bevorzugt hat als Atlético Madrid.
Schon mit Inter Mailand kommt im Viertelfinale ein ganz anderes Team. Die Italiener kassieren nur sehr wenige Gegentore, können tief und kompakt verteidigen, aber auch mal aggressiv herausschieben. Gleichzeitig haben sie eine enorme technische Qualität und sind es aus der Serie A auch gewohnt, auf einem hohen Niveau Lösungen gegen verschiedene Arten von Pressing zu finden.
Inter bringt ein Profil mit, das für die Bayern taktisch und physisch sehr unangenehm werden kann. Bei allem berechtigten Lob über die guten Leistungen gegen Leverkusen sollte eingeordnet werden, wo die Münchner herkommen: Nämlich aus Jahren der Unbeständigkeit.
Würde man die beiden Auftritte überstreng bewerten, könnte man auch den einen oder anderen Fehler der Bayern mehr in den Mittelpunkt rücken – so wie es vermutlich der Fall gewesen wäre, wenn diese Fehler bestraft worden wären und das Ergebnis damit beeinflusst worden wäre. So wie es keinen Sinn macht, eine Niederlage nur anhand eines Fehlers oder anhand eines Ergebnisses überzubewerten, ist es auch andersherum nicht sinnvoll, einen deutlichen Sieg überzubewerten und dabei alle Situationen zu vergessen, in denen die Spielgeschichte einen anderen Verlauf hätte nehmen können.
Es gibt nach wie vor einiges zu tun für den FC Bayern, um den Weg in der Champions League bis zum Schluss gehen zu können. Es war nur ein Achtelfinale. Aber gleichzeitig kann es der Auftakt zu etwas Großem gewesen sein – wenn man aus beiden Leistungen die richtigen Schlüsse zieht.
Langsung
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