90min
·6 November 2024
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·6 November 2024
Erst sah es nach einer kleinen Enttäuschung für die TSG Hoffenheim aus. In der 90. Minute stand es gegen den Newcomer Leipzig auswärts 1:1. Kein grandioses Resultat, aber in Ordnung. Dann kam die Nachspielzeit, und Leipzig brach den Kraichgauerinnen mit einem Doppelschlag das sprichwörtliche Genick. Giovanna Hoffmann, frischgebackene Nationalspielerin, traf doppelt.
Und schon war aus einer kleinen eine mittelgroße Enttäuschung geworden. Eine Niederlage gegen die aufstrebenden Leipzigerinnen kann man noch verkraften, aber plötzlich stand Hoffenheim in der Tabelle der Frauen-Bundesliga auf Platz sieben.
Hinter dem Top-Trio Bayern, Wolfsburg, Frankfurt, klar. Aber auch hinter drei Teams, denen Hoffenheim dem eigenen Anspruch nach überlegen sein will. Doch die TSG verlor gegen genau diese drei Teams - Leverkusen, Freiburg, Leipzig - diese Saison schon und steht nun nur im Mittelfeld.
Momentaufnahmen der Tabelle sind nicht immer aussagekräftig, aber in diesem Fall gibt es wenig Aussicht auf Besserung. Die nächsten beiden Spiele bestreitet Hoffenheim gegen Wolfsburg und Frankfurt, und könnte damit noch weiter abrutschen. Was ist los bei der TSG?
In den letzten Jahren waren die Blau-Weißen ein Teil der Top Vier der Liga. In der Tabelle standen sie zwar klar hinter Wolfsburg und Bayern, konnten die zwei Großen aber mehrmals ärgern. Mit Eintracht Frankfurt lieferte sich Hoffenheim ein Rennen um den dritten Champions-League-Platz. Noch 2021 spielten sie in Barcelona und London international.
Aber während Frankfurt sich zum Höhenflug aufgeschwungen hat und sich Hoffnungen auf die Vizemeisterschaft oder gar Meisterschaft machen kann, hat Hoffenheim vorerst den Anschluss verloren. Ist das nur eine kleine sportliche Krise, oder wird Hoffenheim gerade der Rang abgelaufen?
Den Anspruch, vorne mitzuspielen, hat Hoffenheim definitiv weiterhin. Diese Saison hielten sich die Verantwortlichen mit allzu offensiven Kampfansagen aber zurück. "Die Ambitionen des Vereins gehen definitiv in die Richtung, auch in Zukunft klar zu den Topklubs in der Frauen-Bundesliga zu gehören", sagte Trainer Theodoros Dedes vor der Saison.
Die aktuelle Spielzeit wird als Umbruchssaison gesehen: Dedes ist erst seit diesem März im Amt. Die TSG muss dazu einige Leistungsträgerinnen ersetzen, Sarai Linder und Paulina Krumbiegel verließen den Klub. Eine ganz normale, kleinere Krise in der Entwicklungsphase also?
Ganz so einfach ist es nicht. Denn schon seit mehreren Jahren verlassen die TSG jeden Sommer zwei oder drei Leistungsträgerinnen. Ein Verein im Dauer-Umbruch. Kann man da noch von Umbrüchen sprechen, oder ist es schon zur Normalität geworden? In jedem Fall sind es keine günstigen Voraussetzungen, um um langfristig ein Projekt aufzubauen.
Eintracht Frankfurt ist es dagegen im Kontrast sehr gut gelungen, die Leistungsträgerinnen zu halten. Wie das gelungen ist - ob mit finanziellen Anreizen, Bindung zum Klub und den Fans, guter Infrastruktur oder glaubwürdigen sportlichen Ambitionen - bleibt im Dunkeln. In die Black Box der Verhandlungen ist es schwer, hereinzublicken, aber das Ergebnis ist klar.
Dedes sieht diese Abgänge als "Kompliment für die sehr gute Ausbildung, die bei der TSG angeboten wird". Das stimmt natürlich: Hoffenheims Ausbildungsarbeit bleibt stark. Der Klub ist, als einer von fünf Vereinen, bei der Pilotphase für FLZWs (Förder- und Leistungszentren weiblich) vertreten. Diese Zentren sollen eine Art Äquivalent zu den Nachwuchsleistungszentren bei den Männer-Junioren werden. Das zeigt, dass auch der DFB die Arbeit im Kraichgau schätzt.
Dennoch wird es als Ausbildungsklub schwierig, sich ganz oben zu etablieren. Sarai Linder sagte bei ihrem Wechsel nach Wolfsburg, sie freue sich, "für so einen großen Klub zu spielen". Den Status als "großer Klub" hat Hoffenheim aktuell noch nicht erreicht, und scheint auf Spielerinnen-Seite auch nicht auf dem Weg dazu.
Nationalspielerin Sarai Linder wechselte von Hoffenheim nach Wolfsburg / Alex Grimm/GettyImages
Hoffenheim klopft nun schon seit einigen Jahren oben an, aber tritt auch ein wenig auf der Stelle. Die TSG investiert zwar, macht aber keine so großen Quantensprünge wie Bayern oder Frankfurt zuletzt. Wer aktuell auf der Stelle tritt, sinkt ab.
Daher kann die langfristige Entwicklung bei der TSG durchaus kritisch gesehen werden, zumal Klubs wie Leverkusen und Leipzig nachkommen. Beide haben, genau wie Hoffenheim, große finanzielle Mittel und sehen im Frauenfußball wohl ebenfalls ein Mittel, ihr Image aufzupolieren.
Bei der TSG ist wohl auch das ein Motiv hinter der Förderung der Frauenabteilung. Die Zuschauerzahlen und Stimmung sind allerdings höchstens mittelmäßig. Nicht nur sportlich muss sich der Klub also fragen, in welche Richtung es weitergehen soll. Die beiden Punkte beeinflussen sich aber auch gegenseitig, denn für Vereine mit starker Fan-Unterstützung ist diese ein Argument bei der Verpflichtung von Spielerinnen.
Die Zukunft der TSG-Frauen wird außerdem stark von der sportlichen Leistung der Männer abhängen. Die sind aktuell in der Bundesliga abstiegsgefährdet - das hätte vermutlich auch Konsequenzen für die Frauenabteilung.
Gleichzeitig ist übertriebene Schwarzmalerei nicht angemessen. Mit Spielerinnen wie Selina Cerci oder Melissa Kössler konnte Hoffenheim in den letzten Jahren begehrte Spielerinnen für sich gewinnen. Leistungsträgerinnen wie Mara Alber blieben - trotz Interesse von Chelsea, einem absoluten Topklub.
Zudem wird es auch für Leverkusen oder Leipzig schwierig, Frankfurt direkt den Rang abzulaufen. Beide spielen aktuell gut, aber die Konstanz über mehrere Jahre ist eine ganz andere Frage. Für Hoffenheim ist das ein Vorteil, denn sich schnell als Vierter im Bunde zu etablieren - statt der TSG - wird schwierig.
Mit der Reform der Champions League und der Einführung eines zweiten europäischen Wettbewerbskönnte es zudem einen vierten internationalen Startplatz geben. Falls sich die TSG den sichern kann, wäre das Standing schon wieder besser.
Hoffenheim profitiert zudem weiter von langfristigen Investitionen, die vor Jahren getätigt wurden - etwa die Trainingsanlage in St. Leon-Rot. Junge Talente wie Alber bekommen in Hoffenheim zudem mehr Einsatzzeit, als das bei den Top Drei der Fall wäre. Die Verbindung zwischen guten Einsatzmöglichkeiten und mittelfristigen Ambitionen kann den Klub attraktiv machen.
Insgesamt ist die sportliche Krise bei Hoffenheim daher für die Verantwortlichen ein deutliches Warnsignal. Die jüngsten Ergebnisse sind die Quittung dafür, dass viele Leistungsträgerinnen den Klub verließen und die Nachfolgerinnen noch nicht gut integriert sind - oder schlicht nicht auf dem gleichen Niveau spielen.
Hinter den schwachen Ergebnissen verbirgt sich die Frage, ob Hoffenheim tatsächlich noch die Investitionen tätigen will, die für eine Konkurrenz mit den Topklubs nötig sind. Gerade mit Blick auf die sportliche Krise bei den Männern ist das ein heikles Thema.
Gleichzeitig hat Hoffenheim schon vor Jahren professionelle Strukturen geschaffen und sich als guter Standort für junge Spielerinnen etabliert. Wenn Theodoros Dedes und sein Trainerteam das Spielkonzept weiterentwickeln und die Verantwortlichen den Spielerinnen einen klaren Plan für die Zukunft aufzeigen, muss die sportliche Krise nicht unbedingt zu einer strukturellen Krise werden.