90min
·6. März 2025
Jule Brand & Olympique Lyon - das perfekte Match?

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·6. März 2025
Bereits seit einigen Wochen steht fest, dass Jule Brand ihren Vertrag bei den Wölfinnen nicht verlängern und die Autostadt diesen Sommer verlassen wird. Daraufhin mehrten sich die Gerüchte, welches Top-Team die Nationalspielerin zukünftig unter Vertrag nimmt. Neben Manchester City sollen auch der FC Barcelona und der FC Bayern an einer Verpflichtung von Brand interessiert gewesen sein. Den Zuschlag bekam allerdings ein anderer Mitstreiter: Die 22-Jährige hat sich offenbar für einen Wechsel zu Olympique Lyon entschieden - zu den Rekordsiegerinnen der UEFA Women's Champions League. Doch ist das das perfekte Match?
Dem Wunsch des Bundestrainers würde Jule Brand bei einem Wechsel zu OL jedenfalls nicht nachkommen. Dieser äußerte sich vor wenigen Wochen im kicker wie folgt zu den möglichen Abgängen von Brand und Klara Bühl ins Ausland: "Natürlich wollen wir unsere Top-Spielerinnen in Deutschland behalten. Das hat nicht nur mit der individuellen Entwicklung zu tun. Es geht auch um den Standort Deutschland. Das macht die Liga für die Zuschauer attraktiv." Ab dem kommenden Sommer muss die Frauen-Bundesliga ihre Strahlkraft ganz ohne Brand aufrechterhalten. Dass die Entscheidung der Wolfsburg-Spielerin auf Olympique Lyon gefallen ist, dürfte viele etwas überrascht haben. Für die persönliche Weiterentwicklung von Brand bieten die Französinnen aber eine gute Umgebung. Das Team ist gespickt mit Top-Stars voller individueller Klasse - dazu gehören beispielsweise Wendie Renard, Selma Bacha, Dzenifer Maroszan, Ada Hegeberg und Kadidiatou Diani.
Besonders die Offensivabteilung von Olympique Lyon ist in Europa gefürchtet. Jule Brand wird sich gegen Spielerinnen wie Diani, Chawinga und Majri beweisen müssen, um regelmäßig Spielzeit zu bekommen. Aufgrund der individuellen Qualität der Spielerinnen ist das Trainingsniveau bei OL dementsprechend hoch. Das alles wird Jule Brand bei ihrer persönlichen Weiterentwicklung helfen und sie auf ein neues Niveau heben.
Dafür muss aber auch der Spielstil von Brand mit dem des Cheftrainers Joe Montemurro übereinstimmen. Oberflächlich ist das auch der Fall: Als dynamische Flügelstürmerin kann Brand von dem temporeichen und kreativen Umschaltspiel der Französinnen definitiv profitieren und scheint auf dem ersten Blick besser zu ihrem Spielerinnenprofil zu passen als das eher verhaltene Offensivspiel der Wölfinnen.
Um Spielerinnen von sich zu überzeugen hat Olympique Lyon ein ausschlaggebendes Argument im Portfolio: Die Aussicht auf einen Titelgewinn mit Les Gones. Den Namen Olympique Lyon assoziiert man im Frauenfußball automatisch mit der UEFA Women's Champions League. Kein anderes Team gewann die Königinnenklasse so oft wie die Französinnen (acht Mal).
International lief Barcelona den französischen Meisterinnen zuletzt leicht den Rang ab, dennoch gehört OL in jeder Saison unumstritten zu den Favoritinnen auf die europäische Krone. Jule Brand hätte also die Gelegenheit, einerseits länger im europäischen Wettbewerb zu verweilen und sich auf der internationalen Bühne einen größeren Namen zu machen. Andererseits sind sowohl Olympique Lyon als auch Barcelona noch die Anlaufstellen, wenn es um den Gewinn der UWCL geht. Die Chance, mit den Französinnen den Titel zu gewinnen, ist immer noch größer als mit einem anderen Team.
Aufgrund des internationalen Erfolgs von OL wundert es auch nicht, dass die Mannschaft in der heimischen Liga das Maß aller Dinge ist: 17 Mal gewannen sie die französische Division 1 Feminine - 16 davon in Folge seit 2007. Auch in dieser Saison führt Olympique Lyon die heimische Tabelle mit einem Vorsprung von acht Punkten vor dem Erzrivalen Paris Saint-Germain an.
So schön wie das auch klingen mag, verbirgt sich dahinter aber auch eine Schattenseite, die der Wechsel zu Olympique Lyon mit sich bringen könnte: Das Niveau der französischen Liga fällt im europäischen Vergleich ab. In unserem 90min-Ranking der Top-Ligen im Fußball der Frauen führt die englische Women's Super League die europäischen Vertreter an. Vor der französischen DR1 landet auch die deutsche Frauen-Bundesliga. In Deutschland rücken die Mannschaften immer enger zusammen, was für einen ausgeglichenen und spannenden Wettbewerb sorgt. Klare Spiele und hohe Ergebnisse sind mittlerweile eher die Seltenheit.
In Frankreich hingegen ist die Lücke zwischen den drei Top-Teams, dem Mittelfeld und den Schlusslichtern deutlich größer. Dass Lyon in 16 Spielen 69 Tore erzielen konnte, bestätigt dieses Leistungsgefälle. Jule Brand würde im französischen Liga-Alltag folglich einen leichten Niveauabfall in Kauf nehmen müssen. Das wäre aber auch bei einem Transfer nach Spanien der Fall gewesen. Lediglich ein Wechsel in die englische WSL, die US-amerikanische NWSL oder innerhalb Deutschlands hätte das vermeiden können.
Allerdings entwickelt sich der Frauenfußball weltweit weiter. So wird auch in Frankreich das Niveau der heimischen Liga ansteigen. Jule Brand wechselt zu einem spannenden Zeitpunkt ins deutsche Nachbarland. Sicher ist jedenfalls, dass das Niveau der Liga das Level der Mannschaft nicht wirklich beeinträchtigen wird - dafür sprachen in der Vergangenheit die Erfolge in internationalen Wettbewerben. Auf dem Papier scheint Olympique Lyon ein guter Ort für Brand zu sein, um sich individuell aber auch persönlich auf und neben dem Platz weiterentwickeln kann. Zwar hätte der Bundestrainer Wück Brand gerne weiterhin in Deutschland gesehen, um die Liga "attraktiv" zu halten, doch Jule Brand könnte in Lyon den deutschen Frauenfußball international vertreten und dadurch in gewisser Weise auch die Ausbildung der deutschen Vereine verkörpern. Neben all den sportlichen Faktoren geht es vor allem darum, sich bei seinem neuen Team und in der neuen Heimat wohlzufühlen. All das bleibt Jule Brand zu wünschen, damit sie ihre Karriere weiter so steil fortsetzen kann.
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