Cavanis Friseur
·30. November 2020
Cavanis Friseur
·30. November 2020
Ob die zahlreichen Champions-League-Reformen der vergangenen Jahre oder die aktuell geplante europäische „Super-Liga“: Die Spitze des europäischen Vereinsfußballs entfernt sich qualitativ immer weiter von den nationalen Wettbewerben, zumindest ab dem Viertelfinale wird die Champions League seit Jahren von Teams aus den fünf größten Ligen dominiert.
Trotzdem gibt es (noch) Teams, die sich regelmäßig zumindest für die Gruppenphase qualifizieren können: Neben einstigen Gewinnern des Wettbewerbs wie dem FC Porto oder Ajax Amsterdam trifft man auch regelmäßig Vereine wie Schachtar Donezk den FC Brügge an, da sich aus Ländern wie der Ukraine oder Belgien immerhin noch die nationalen Meister direkt für den Wettbewerb qualifizieren.
Für den einen oder anderen Spieler ist das Grund genug, seine Karriere bei einem dieser Vereine zu verbringen – auch wenn die nationale Liga ein eher niedriges Niveau hat, haben solche Vereine meist ein Abo auf die Europapokalplätze.
Genau so ein Spieler ist Hans Vanaken, der mit seiner Qualität auch bei einem guten Team in einer Top-Liga mithalten könnte. Schalke 04 und Borussia Dortmund zeigten in den vergangenen Jahren Interesse an dem unorthodoxen Zehner des FC Brügge, dieser blieb seinem Verein allerdings treu.
Seit Sommer 2015 spielt Vanaken für den 16-fachen belgischen Meister, mit 22 Jahren wechselte er damals vom KSC Lokeren nach Brügge. Die damalige Ablöse: Vier Millionen Euro.
Ein gutes Investment – mittlerweile würde Vanaken bei einem Abgang wohl mindestens das Fünffache einbringen. Allerdings scheint keine der beiden Parteien Interesse an einem Abgang zu haben – erst kürzlich verlängerte der Belgier langfristig bis 2025.
Aber was macht Vanaken eigentlich so wichtig für Brügge? Dem gehen wir in unseren Hans Vanaken Analyse nach. Mit seiner Körpergröße von 1,95m fällt er im Vergleich zu anderen Zehnern direkt auf.
Auch durch seine Größe unterscheidet sich das Spiel Vanakens von dem anderer, „klassischer Zehner“. Der 28-Jährige ist äußerst beweglich und hat eine sehr enge Ballführung – Attribute, die man nicht wirklich mit einem Spieler seiner Körpergröße in Verbindung bringt.
Im Vergleich zu Spitzenspielern auf dieser Position fällt aber vor allem eines auf: Vanaken ist zwar durchaus handlungsschnell, aber sein Tempo lässt trotzdem zu wünschen übrig.
Für seinen Spielstil ist das aber nicht wirklich relevant, Vanaken ist eher Ballverteiler im letzten Drittel als Dribbelkönig.
Bei Club Brügge ist Vanaken derweil schon lange mehr als „nur“ ein Leistungsträger. Trotz namhafter Konkurrenz wie Krépin Diatta oder Emmanuel Dennis wurde Vanaken in den vergangenen beiden Jahren zum Fußballer des Jahres in der belgischen Liga gewählt – das untermauert auch seinen Stellenwert beim FC Brügge.
Besonders ist vor allem das Zusammenspiel mit Ruud Vormer im Mittelfeld der “Blauw-Zwart”: Während Vanaken sich im 4-3-3 als Achter auch häufig in Aktionen am gegnerischen Strafraum einschaltet, sichert Vormer in solchen Situationen ab.
Vanakens Job in Brügges 4-3-3 hat dabei ganz verschiedene Facetten, insbesondere ist er aber beim Kreieren von Torchancen gefragt. Dank seiner Körpergröße ist er auch durchaus in der Lage, lange Bälle festzumachen.
Wenn ihm ebendies im von ihm bevorzugten linken Halbraum gelingt, bieten sich oft zwei Optionen: Entweder sucht er per Steckpass oder Flanke direkt Mittelstürmer Emmanuel Dennis, sonst legt er die Bälle auch gerne auf die Flügelspieler ab.
Generell rückt er aber im Ballbesitz gerne in die Zehner-Räume am gegnerischen Sechzehner auf, während sein Achter-Pendant Ruud Vormer ein wenig tiefer als in seiner eigentlichen Position agiert. Das ermöglicht Vanaken, seine Stärken optimal auszuspielen und seine Teamkollegen in Szene zu setzen – oder eben selbst abzuschließen.
Im Spiel gegen den Ball rückt sich die Formation der Belgier dagegen wieder gerade, Vanaken und Vormer verteidigen auf einer Linie vor Sechser Mats Rits.
Weit über 200 Spiele standen Vanaken und Vormer übrigens gemeinsam für Brügge auf dem Platz – und sind auf dem besten Weg, echte Vereinslegenden zu werden. In der Rekordspieler-Liste des FC stehen sie auf Platz sieben (Vormer) bzw. neun (Vanaken).
Nun sind Stärken und Besonderheiten das eine – aber natürlich wird jeder Offensivspieler auch an seinen Torbeteiligungen gemessen. Und auch an dieser Stelle liefert Vanaken. In der aktuellen Saison 2020/2021 gelangen ihm in bisher 17 Pflichtspielen sechs Tore und fünf Vorlagen.
Auch in den vergangenen Jahren sahen Vanakens Torbeteiligungen stets beeindruckend aus – und dazu überraschend konstant: Die 17 Tore und drei Vorlagen aus der Saison 2019/2020 sehen so im Vergleich der Vorjahre eher mickrig aus.
Bereits 2017/2018 lieferte Vanaken mit 14 Toren und 17 Vorlagen jeweils zweistellig ab, trotzdem war die Saison 2018/2019 mit 17 Toren und 19 Assists noch deutlich besser. Seit seinem Wechsel zum FC Brügge traf der 28-Jährige in jeder Saison zweistellig.
Auch seine starken Standards tragen zu diesen Zahlen bei. Hans Vanaken ist nicht nur Brügges standardmäßiger Elfmeterschütze, bei Ecken und Freistößen wird er mit chirurgisch genauen Hereingaben zudem zum Vorbereiter.
Die Frage, die sich wohl viele Fans stellen, wenn sie Vanaken spielen sehen: Warum hat dieser Spieler nie den Schritt in eine Top-Liga gewagt? Mit dem BVB war 2018 wohl auch ein internationaler Top-Verein an Vanaken interessiert, unklar ist, warum es letztlich nicht zum Wechsel kam.
Ein möglicher Grund für den Verbleib des Belgiers bei Brügge könnte die Unsicherheit sein, wie es für ihn in einer größeren Liga oder bei einem größeren Verein laufen würde. Das bereits angesprochene, höhere Tempo des Fußballs könnte Vanaken zum Verhängnis werden.
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Außerdem wäre er bei seinem Verein dann wohl nur noch einer von vielen, das System wäre nicht mehr auf ihn zugeschnitten – und ob Vanaken dann dieselbe Leistung wie in Brügge bringen würde, lässt sich schwer voraussagen.
Würde Vanaken den Verein verlassen, könnte er eventuell die nationalen Titel eines größeren Landes als Belgien gewinnen und am Ende noch dem einen oder anderen Fan mehr im Gedächtnis hängen bleiben: „Jo, der Vanaken war auch ganz gut!“.
Vanaken wäre dann eben einer von vielen. Und er würde die Chance verstreichen lassen, in Brügge endgültig zur Vereins-Legende zu werden.
Sollte Vanaken seinen Vertrag bis 2025 tatsächlich erfüllen (was nicht besonders unwahrscheinlich wäre) und nicht von größeren Verletzungen geplagt werden, könnte er beim FC Brügge nicht nur Rekordspieler, sondern auch Rekordtorschütze werden.
Auf den aktuellen Rekordhalten, Gert Verheyen, fehlen dem 28-jährigen Mittefeldspieler nur noch 58 Tore (Stand: 25. November 2020) – mit 76 Toren liegt Vanaken derzeit an zweiter Stelle hinter Verheyen (134 Treffer).
Zwar wird ihm durch seinen Verbleib bei Club Brügge außerhalb von Belgien nur eine sehr begrenzte Aufmerksamkeit zuteil, aber bei den “Blauw-Zwart” könnte er eben der Spieler werden, dem man eine Statue vor das Stadion setzt und von dem in ein paar Jahren die Väter ihren Söhnen vorschwärmen. Der Spieler, an dem sich alle messen müssen – und der Spieler, an dem es auf Jahre kein Vorbeikommen geben würde.
(Titelbild: @Imago Images)
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