Rund um den Brustring
·1 November 2024
Rund um den Brustring
·1 November 2024
Auch der deutsche Meister aus Leverkusen kommt aktuell noch nicht ganz an die Leistungen der vergangenen Saison heran. Vor dem vierten Duell mit dem VfB in diesem Jahr sprachen wir mit Bayer-Experte Sebastian Bergmann von der Rheinischen Post.
Rund um den Brustring: Hallo Sebastian, wir haben ja vor nicht allzu langer Zeit bereits über den amtierenden deutschen Meister gesprochen. Schön, dass Du dir nach dem Supercup erneut Zeit für unsere Fragen nimmst. Vielleicht mal ein Blick zurück: Die Leverkusener Fanszene titulierte den Supercup als “Kirmespokal”, im Club selber, dessen Trophäenschrank ja nun auch überschaubar groß ist, hatte der Sieg im Elfmeterschießen schon einen anderen Stellenwert, oder?
Sebastian: Nach mehr als 30 Jahren komplett ohne Titel nimmt man denke ich auch den Supercup gerne mit. Und in den Augen vieler Spieler und Klubverantwortlicher ist es, und das war auch vor der Partie im August so, ein Titel, auf den man stolz ist.
Damals drehte der VfB den frühen Rückstand, nur um die Führung kurz vor Ende in einer wilden Spielphase in Überzahl noch herzugeben. Was lässt sich aus dem Spiel Mitte August für das Aufeinandertreffen am Freitag ableiten?
Ich glaube nicht allzu viel, außer der Erkenntnis, dass beide Mannschaften auch in dieser Saison wieder das Potenzial haben, ganz vorne mitzuspielen und sich spielerisch wie taktisch auf einem ähnlichen Niveau bewegen. Auch wenn Leverkusen im Vergleich zum Supercup mit einer anderen Mannschaft auflaufen wird.
Der VfB musste, auch bedingt durch Wechsel, seinen Kader im größeren Rahmen umbauen und verstärken. Wie siehst Du vor dem Spiel das Kräfteverhältnis der beiden Teams, die ja letzte Saison die ganze Liga mit ihrem Fußball begeisterten?
Beide Mannschaften haben noch nicht das Level des außergewöhnlich starken letzten Jahres erreicht, gehören aber weiterhin zur Spitzengruppe, auch wenn das Duell zwischen Meister und Vizemeister aktuell „nur“ das zwischen dem Dritten und Achten ist. Aber allein der Fakt, dass Leverkusen und Stuttgart nur drei Punkte trennen, deutet ja darauf hin, dass beide Teams wieder durchaus vergleichbar sind.
Leverkusen konnte seine Mannschaft größtenteils zusammenhalten, die prominentesten Abgänge waren sicherlich Josip Stanisic, der zu den Bayern zurückkehrte, und Adam Hlozek, den die TSG Hoffenheim bei ihrer späten Shoppingtour mitnahm. Gleichzeitig wurde die Mannschaft mit Martin Terrier, Aleix Garcia und Jeanual Belocian verstärkt. Dennoch musste die Mannschaft nach über einem Jahr die erste Niederlage einstecken und spielte zuletzt häufiger Unentschieden, als ihr lieb war. Wo siehst Du den Unterschied zur Meistersaison?
Die Integration der Neuen dauert länger als im Vorjahr, als direkt alle Transfers Volltreffer waren. Von Martin Terrier war bislang noch nicht viel zu sehen, Aleix Garcia konnte seinem Ruf als Königstransfer bislang auch nicht gerecht werden. Beide sind immerhin solide. Jeanuel Belocian hat wenig Spielzeit erhalten und fehlt nach einer Trainingsverletzung vorerst. Aber auch einige Etablierte kommen noch nicht richtig in Schwung, zum Beispiel Edmond Tapsoba oder Granit Xhaka.
Auffällig ist, dass Bayer mit 15 schon relativ viele Tore kassiert hat, letzte Saison waren es insgesamt nur 24. Wo siehst Du die Gründe dafür?
Es ist ein Mix aus einem teils zu sorglosen Abwehrverhalten des gesamten Teams und Profis außer Form. Hinzu kommen individuelle Fehler.
Viktor Boniface ist mit sechs Treffern aktuell bester Torschütze, Florian Wirtz kommt auf vier Treffer. Trügt das Gefühl, dass die Tore in der letzten Saison etwas breiter verteilt waren?
Das ist schon korrekt. Patrik Schick etwa hat bislang weder in der Liga noch in der Champions League getroffen. Bislang hängt viel von Boniface und einem überragenden Florian Wirtz ab. Das war im Vorjahr anders und auch die große Stärke der Meistermannschaft.
Vor kurzem war zu lesen, Leverkusen beschäftige sich mittelfristig mit einem neuen Torhüter. Wie siehst Du die Situation von Lukas Hradecky und Matej Kovar?
Hradecky spielt einmal mehr eine solide Saison, ist aber auch schon Mitte 30 und wird nicht mehr ewig auf Top-Niveau spielen. Dass sich Bayer nach einem Nachfolger umschaut, ist also verständlich. Kovar hat bislang aber zu wenig gezeigt, als dass er es jetzt schon verdient hätte, für Hradecky zu übernehmen. Und offenbar wachsen die Zweifel, dass er es in absehbarer Zeit schaffen kann. Einen wie von Xabi Alonso vor der Saison angekündigten Zweikampf ums Tor gibt es nicht. In den wichtigen Partien stand bislang immer der Kapitän im Tor.
Was ist Deiner Meinung nach für Bayer in den drei Wettbewerben — im Pokal setzte man sich ja diese Woche souverän gegen Elversberg durch und steht im Achtelfinale — drin?
Die Meisterschaft zu verteidigen, wird schwer, auch wenn ich es weiterhin für möglich halte, sollte sich die Mannschaft in einen Flow spielen. Zumindest ein Platz in den Top vier muss aber das Ziel sein. In der Champions League ist der Start geglückt, das Achtelfinale sollte machbar sein. Alles, was darüber hinaus geht, wäre ein Bonus. Im Pokal — und sollte Bayer weiter Losglück haben, ist wieder eine zusätzliche Fahrt nach Berlin möglich.
Zum Abschluss: Dein Tipp für Startelf und Ergebnis?
Hradecky
Tapsoba, Tah, Hincapie
Frimpong, Xhaka, Andrich, Grimaldo
Terrier, Wirtz
Boniface
2:1
Titelbild: © Lars Baron/Getty Images