MillernTon
·9 March 2025
VfL Wolfsburg vs. FC St. Pauli 1:1 – Punkt für die Tabelle, gefühlte Niederlage

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·9 March 2025
Der FC St. Pauli punktet beim VfL Wolfsburg. Was eigentlich eine zufriedenstellende Nachricht sein sollte, ist durch den Spielverlauf und die Ergebnisse der Konkurrenz negativ eingefärbt.(Titelfoto: Ronny Hartmann/Getty Images/via OneFootball)
Es ist vor allem die Dramaturgie, die viele von uns etwas enttäuscht zurücklässt. Zum Anpfiff der zweiten Hälfte lag der VfL Bochum in München noch zurück, Holstein Kiel war noch nicht in Überzahl und der FC St. Pauli in Führung. Doch dann drehte Bochum die Partie bei den Bayern noch auf 3:2, Kiel ging in Führung und Überzahl und man kann froh sein, dass effiziente Stuttgarter noch den Ausgleich schafften – und der FCSP fing sich den Ausgleich und musste am Ende sogar stark zittern, die Partie in Wolfsburg nicht noch zu verlieren. Wäre der Verlauf des Samstagnachmittags andersherum, ohne dieses Zwischenhoch zur Halbzeit, so würde der Punktgewinn in Wolfsburg sicher etwas höher eingeschätzt werden.
So wie uns ging es natürlich auch den Spielern und dem Trainerteam nach Abpfiff. So gratulierte zum Beispiel Alexander Blessin auf der Pressekonferenz erstmal dem VfL Wolfsburg, ertappte sich selbst dabei und erklärte in Richtung Ralph Hasenhüttl „Ihr habt ja nicht gewonnen, aber so fühlt es sich einfach an gerade.“Ich hatte gedacht, dass eine Nacht darüber schlafen hilfreich sein kann, um das alles etwas objektiver einordnen zu können. Ich dachte, es ist vielleicht auch mal hilfreich, wenn der Spielbericht nicht direkt nach dem Spiel geschrieben wird, voller Emotionen. Ist nicht ganz so. Der Spielverlauf ist immer noch ärgerlich, aus vielerlei Perspektiven. Doch der Punktgewinn des FC St. Pauli gegen den VfL Wolfsburg ist trotzdem viel wert.
Der FC St. Pauli entschied sich dafür, weiterhin mit Lars Ritzka ins Spiel zu starten. Manos Saliakas war zwar wieder Teil des Kaders, kam allerdings erst mit Anpfiff der zweiten Halbzeit in die Partie. Zudem blieb Eric Smith weiterhin im defensiven Mittelfeld, wohl auch deshalb, weil es weder Connor Metcalfe noch Robert Wagner in den Kader schafften.
Ziemlich überraschend fand sich auch Danel Sinani in der Startelf wieder. Der technisch versierte 27-jährige kam anstelle von Johannes Eggestein in die Partie. Alexander Blessin erklärte nach Abpfiff, dass dem Angreifer in den letzten zwei Spielen „ein bisschen die Energie gefehlt“ habe und er das Gefühl hatte, dass Eggestein eine Pause benötige. Und dieser personelle Wechsel ging mit einer doch recht starken taktischen Veränderung einher, sowohl mit als auch gegen den Ball. Blessin erklärte die Aufstellung von Sinani damit, dass dieser die beiden Angreifer „spielerisch in Szene setzen könne“ und gab damit einen klaren Hinweis darauf, wie sich durch die Startaufstellung von Sinani die Formation des FC St. Pauli veränderte.
Auf Seiten des VfL Wolfsburg schaffte es Patrick Wimmer kurzfristig nicht in die Startelf. Somit erledigte sich die Frage, ob Tiago Tomas oder Andreas Skov Olsen starten würden, sie taten es beide. Kapitän Maximilian Arnold stand nach überstandener Innenbandverletzung im Kader, wurde allerdings erst zur zweiten Halbzeit eingewechselt.
Aufstellung beim Spiel VfL Wolfsburg gegen FC St. Pauli
WOB: Müller – Fischer, Vavro, Koulierakis, Maehle – Gerhardt, Svanberg – Tomas, Skov Olsen – Wind, Amoura
FCSP: Vasilj – Nemeth, Wahl, Van der Heyden – Treu, Irvine, Smith, Ritzka – Sinani – Weißhaupt, Afolayan
So wurde bereits in den ersten Spielminuten sehr deutlich, dass sich beim FC St. Pauli etwas geändert hatte: Danel Sinani agierte viel mehr als Zehner, als Johannes Eggestein es tut. Der 27-jährige war quasi überall in der Offensive zu finden, nur nicht im Sturmzentrum. Diese Position teilten sich Dapo Afolayan und Noah Weißhaupt, die beide insgesamt viel zentraler agierten, als in den letzten Partien. Der FC St. Pauli hatte seine Formation also vom gewohnten 3-4-3 hin zu einem 3-4-1-2 verändert.
Diese Veränderung sorgte auch dafür, dass die beiden Außenverteidiger bei eigenem Ballbesitz sehr viel höher standen. Der FC St. Pauli zog die Innenverteidiger sehr breit, sodass Lars Ritzka und Philipp Treu weit vorschieben konnten. Das machte aufgrund des Wolfsburger Pressingverhaltens im 4-4-2 Sinn, da die äußeren Innenverteidiger von ihren Gegenspielern nur selten unter Druck gesetzt werden konnten.
Der VfL Wolfsburg hatte mit dem veränderten Verhalten des FC St. Pauli so seine liebe Mühe und Not, schien mit dieser Umstellung (wie ja auch viele andere) nicht gerechnet zu haben. So gelang es dem FCSP besonders in den ersten 25 Minuten des Öfteren, sich auf der Außenbahn bis ins letzte Drittel vorzuspielen. Hätte Weißhaupt den einen oder anderen ersten Kontakt etwas besser hinbekommen, wäre es wohl einige Male richtig gefährlich geworden für das Wolfsburger Tor. Doch zwingende Chancen waren lange Zeit Mangelware in dieser Partie.
Das lag unter anderem daran, dass der FC St. Pauli auch gegen den Ball die Wolfsburger überraschte und so vor Probleme stellte. Erneut war es die Rolle von Sinani, die für Fragezeichen im Wolfsburger Spielaufbau sorgte. Das Heimteam versuchte, in einer Art 4-2-4 aufzubauen, doch die hintere Viererkette der Wolfsburger wurde in den ersten Spielminuten sehr konsequent hoch angelaufen. Gelangte der Ball zu einem Wolfsburger Außenverteidiger, wurde dieser selbst tief in der eigenen Hälfte von Treu oder Ritzka aggressiv unter Druck gesetzt. Den Raum hinter den FCSP-Außenverteidigern machte Sinani dann dicht. Das zeigte Wirkung, der VfL Wolfsburg hatte zu Spielbeginn sehr große Probleme, sich überhaupt aus der eigenen Hälfte herauszuspielen.
Dieses hohe Pressing kann allerdings auch kein Team dauerhaft durchziehen, zumal die Wolfsburger ihr Spiel bereits während der ersten Halbzeit, noch viel deutlicher nach Wiederanpfiff, anpassten: Immer wieder ließ sich einer der Sechser zwischen die Innenverteidiger fallen. Eine Bewegung, die Smith und Irvine als direkte Gegenspieler nicht mitgingen. Passierte das, so ließ sich der FC St. Pauli etwas tiefer fallen und zeigte auch da eine neue Formation. Sinani agierte nämlich rechts neben Smith und Irvine als Teil einer Dreierkette im zentralen Mittelfeld, der FCSP stellte sich den Wolfsburgern also in einem 5-3-2 entgegen. Da Sinani aber insgesamt etwas aggressiver vorschob und somit immer wieder auch auf einer Höhe mit Weißhaupt und Afolayan agierte, war es insgesamt unangenehm flexibel, wie der FC St. Pauli defensiv agierte. Die Wolfsburger hatten quasi keine Möglichkeit, sich auf den Gegner einzustellen. Well done, FC St. Pauli!
Was dem FC St. Pauli auch immer wieder gut gelang, waren hohe Ballgewinne durch mutige Vorwärtsbewegungen in der Verteidigung. Exemplarisch, auch wenn es eigentlich eine Gegenpressing-Situation gewesen ist, war die Situation, die zum Abschluss von Afolayan in der 37. Minute führte. Afolayan verlor den Ball in guter Situation zwar, doch Smith setzte nach und brachte den Offensivspieler damit direkt in eine gute Abschlussposition. Wolfsburg-Keeper Müller parierte zur Ecke…
Lange haben wir darauf warten müssen. Obwohl es eine Vielzahl guter Gelegenheiten nach Standardsituationen gab, hatte der FC St. Pauli in dieser Saison noch nicht via Freistoß oder Eckball treffen können. Das änderte sich am 25. Spieltag in der 38. Minute, als eine Ecke von Sinani (der einfach richtig gute Standards treten kann) in Richtung zweiter Pfosten flog. Genau dort sollte sie auch hin, denn dort wartete Irvine und legte den Ball per Kopf zurück zum ersten Pfosten, wo Siebe Van der Heyden nur noch wenig Probleme hatte, aus kurzer Distanz (xG: 0,92!) zur FCSP-Führung einzuköpfen. Was für eine Erlösung!
Zur zweiten Halbzeit wechselten sowohl der VfL Wolfsburg als auch der FC St. Pauli je zweimal. Der VfL brachte Roerslev auf der rechten Abwehrseite ins Spiel und auch Kapitän Arnold kam hinein. Mit der Einwechslung von Roerslev reagierten die Wolfsburger vermutlich auf die doch eher problematische Situation, die sich im ersten Abschnitt häufiger auf dieser Seite ergaben. Das Problem für den VfL: Der FC St. Pauli hatte sich auf dieser Seite ebenfalls komplett neu aufgestellt. Mit Elias Saad und Manos Saliakas für Afolayan und Ritzka agierten fortan Treu und Saad auf der linken Seite. Bereits wenige Minuten nach Wiederanpfiff hatte Roerslev große Not, als er von Saad gekonnt unter Druck gesetzt wurde und den Ball verlor. Auch wenig später sah er bei einem langen Ball im Duell mit Treu alles andere als gut aus.
Gut sah hingegen das Spiel des FC St. Pauli in den Anfangsminuten der zweiten Hälfte aus. Das ist erwähnenswert, weil genau diese Phase in den Spielen gegen Mainz und Dortmund nicht so gut passte. Dieses Mal aber blieb der FCSP genau so griffig wie im ersten Abschnitt. In den ersten 25 Minuten der zweiten Hälfte war der FC St. Pauli dem zweiten Treffer klar näher als die Wolfsburger dem Ausgleich (abgesehen von einer Tomas-Chance in der 61. Minute), die nun oft mit Arnold als Innenverteidiger aufbauten.
Siebe Van der Heyden feiert seinen ersten Treffer für den FC St. Pauli. Später stand er leider noch einmal im Fokus.
// (Ronny Hartmann/Getty Images/via OneFootball)
Mit zunehmender Spieldauer ging der VfL Wolfsburg dann immer mehr ins Risiko. Für den FC St. Pauli eröffneten sich dadurch einige Räume für Umschaltmomente, die allerdings zu selten gut ausgespielt werden konnten. Besonders in den Minuten vor dem Ausgleich schien das Spiel endgültig auf die Seite des FCSP zu kippen.Alexander Blessin sagte später, dass er sich ziemlich sicher gewesen ist, man hätte ohne den Elfmeter das Spiel mit 1:0 gewonnen. Da muss ich widersprechen. Ich bin davon überzeugt, dass der FC St. Pauli die Partie bereits früher für sich entschieden hätte. Zu vielversprechend waren die Umschaltmomente kurz vor dem Ausgleich, zu griffig das Team in der Arbeit gegen den Ball. Hätte Wolfsburg noch länger zurückgelegen, wäre irgendwann einer der Konter im Wolfsburger Netz gelandet.
Alles Konjunitiv, alles scheiße! Denn in der 69. Minute zog der eingewechselte Jakub Kaminski im Zweikampf an Van der Heyden vorbei in den Strafraum. Den Ball hatte er sich zwar deutlich zu weit vorgelegt, er wurde allerdings auch – zwar nur leicht aber deutlich sichtbar – von Van der Heyden am Trikot festgehalten. Kaminski fiel und der Schiedsrichter zeigte auf den Punkt. Eine durchaus diskutable Entscheidung, weil das Vergehen dann doch eher eine völlige Kleinigkeit gewesen ist. Van der Heyden erklärte zu der Situation nach Abpfiff: „Ich lasse ihn im richtigen Moment los – erst danach fällt er. Für mich ist das kein Elfmeter.“
Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich diese Situation nur schwer ertrage, vor allem dann, wenn man das im Kontext des letzten Spiels betrachtet. Nach der Elfmeter-reifen Szene gegen Dortmund wurde mir erklärt, dass es einen „Fußball-kulturellen Code“ geben würde, der eben besagt, dass so ein ballfernes Foul wie von Bensebaini an Weißhaupt nicht zum Elfmeter führt. Mit diesem „Code“ würde ich auch argumentieren, dass im Strafraum schon etwas mehr als an der Mittellinie passieren muss, um ein Foul zu pfeifen. Weil die Konsequenz eben ziemlich heftig ist. Genauso wie bei Gelb-vorbelasteten Spielern ja oft auch nochmal ein Auge zugedrückt wird. So argumentieren Schiedsrichter ja oft auch knifflige Entscheidungen im Strafraum, es ist also keineswegs aus der Luft gegriffen.
Im Fall des leichten Haltens von Van der Heyden wurde auf keinen Fall ein Auge zugedrückt. Im Gegenteil: Obwohl Kaminski den Ball nicht mehr erreichen konnte – nicht, weil er gehalten wurden, sondern weil er ihn sich zu weit vorgelegt hatte – wurde hier auf Elfmeter entschieden. Für eine Situation, in der Kaminski selbst irgendwann abhebt, keineswegs, weil er stark gehalten wurde. Für eine Lappalie. Ganz schwer zu ertragen. Die einzige Möglichkeit, um etwas Wind aus den Segeln zu nehmen: Wäre die Situation andersherum passiert, hätten sich vermutlich viele nicht über einen Elfmeter für den FC St. Pauli beschwert. Ein klares Foul ist das nicht, aber eben auch nicht nichts. Am Ausgleich ändert das aber natürlich nichts. Scheiße.
Der Elfmeter führte jedenfalls zum Ausgleich durch Amoura (der jubelte danach völlig unnötigerweise noch provokant in Richtung Gästefans) und dieses Tor veränderte das Spiel dann komplett. Fortan war vom umschaltstarken FC St. Pauli gar nichts mehr zu sehen. Viel mehr ging es jetzt nur noch darum, irgendwie das Unentschieden über die Zeit zu bringen, so schien es. Und so groß die Enttäuschung auch noch am Sonntag darüber ist, dass es diesen Elfmeter gab und der FCSP diese Partie nicht gewinnen konnte, so viel Respekt muss man vor der Leistung der Spieler haben, die nach dem Ausgleich Probleme hatten, aber nicht komplett die Linie verloren.
Denn zwar kam der VfL Wolfsburg nun zu deutlich besseren Gelegenheiten, aber eine richtige Schlussoffensive zeigte das Heimteam nicht. Zweimal musste Nikola Vasilj dann aber noch eingreifen: In der 78. Minute parierte er (ungewollt per Kopf) aus kürzester Distanz, in der 87. dann mit der Hand. Mit der Hand spielte dann auch Philipp Treu den Ball in der 90. Minute, im eigenen Strafraum. Er wollte eine Flanke wegköpfen, verpasste den Ball aber mit dem Kopf, der ihm stattdessen an die Hand sprang. Absicht lag natürlich nicht vor, der hinter ihm einlaufende Roerslev hat den Ball aber mutmaßlich aufgrund der Ablenkung durch Treus Hand verpasst.
Die Nachspielzeit der Partie gehörte dann aber wieder eher dem FC St. Pauli, der vor allem mit einigen weiten Einwürfen versuchte, sich in den Wolfsburger Strafraum zu spielen. Eine Torgelegenheit sprang dabei aber nicht mehr heraus.So muss man das Ergebnis hinnehmen, wie es ist. Auch wenn es sich im ersten Moment wie eine Niederlage anfühlte: Der FC St. Pauli hat einen Punkt mehr als vor dem Spieltag auf dem Konto und endlich mal wieder das Tor getroffen. Unabhängig von den Ergebnissen auf den anderen Plätzen und dem Ärger über einen zweifelhaften Elfmeterpfiff wäre das eine richtig mutmachende Nachricht.
Und das sollte sie auch sein. Klar, offensiv war das kein Feuerwerk, aber das Spiel gegen den VfL Wolfsburg zeigte, dass der FC St. Pauli Möglichkeiten hat. Sowohl was die Art und Weise angeht, wie man aus der Halbzeit kam, aber auch, was die taktischen Optionen angeht. Der FCSP hat gezeigt, dass er mehr kann und dass diese Ideen auch auf fruchtbaren Boden fallen, der Plan mit Sinani ist aufgegangen. Das ist vor der extrem wichtigen Partie am Freitag gegen die TSG Hoffenheim ganz, ganz wichtig.Niemand hat gesagt, dass es leicht wird – immer weiter vor!// Tim
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