Kalibrierte Linien und der Geist der Regeln | OneFootball

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·23 de octubre de 2024

Kalibrierte Linien und der Geist der Regeln

Imagen del artículo:Kalibrierte Linien und der Geist der Regeln

Der aberkannte Führungstreffer für den FC St. Pauli bei Borussia Dortmund sorgte für große Diskussionen. Sind die kalibrierten Linien eine gute Lösung für die Abseitsfrage? Maik geht ins Detail.Titelfoto: Alex Grimm / Getty Images via OneFootball

Vorab: Dies wird kein Pro/Contra-VAR Artikel. Sorry, wenn Ihr das erwartet habt, aber es gibt für Euch hier nichts zu sehen, geht bitte weiter.Ich beschäftige mich lediglich mit einem Teilaspekt, nämlich der Bestimmung von Abseitssituationen mittels kalibrierter Linien. Dies ist als Thema schon komplex genug, gerade nach unserem Spiel in Dortmund.


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Abseits!

Schauen wir zunächst auf den Regeltext. Fußball-Regeln, Regel 11 (Gesamt-pdf, 164 Seiten, 64MB, Seite 65ff)

AbseitsstellungEin Spieler befindet sich in einer Abseitsstellung, wenn:• er sich mit irgendeinem Teil des Kopfs, des Rumpfs oder der Beine in der gegnerischen Hälfte (ohne die Mittellinie) befindet und• er mit irgendeinem Teil des Kopfs, des Rumpfs oder der Beine der gegnerischen Torlinie näher ist als der Ball und der vorletzte Gegenspieler.[….] AbseitsvergehenEin Spieler, der sich zum Zeitpunkt, in dem ein Mitspieler den Ball spielt oder berührt*, in einer Abseitsstellung befindet, wird nur bestraft, wenn er aktiv am Spiel teilnimmt, indem er […]*Maßgebend ist der erste Kontakt beim Spielen oder Berühren des Balls.

Die Regel ist natürlich noch deutlich länger und komplexer, wir beschränken uns aber heute ja auch die kalibrierten Linien und die technische Komponente. Dafür reichen die hier zitierten Ausschnitte.

Zusätzlich heißt es im VAR-Protokoll (Seit 104, ff):

3. Der ursprüngliche Schiedsrichterentscheid darf nur geändert werden, wenn die Videoaufnahmen eindeutig belegen, dass eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung vorliegt.

Dies ist allgemein gültig und nicht explizit auf Abseits bezogen. Hier ist natürlich zu ergänzen, dass „klare und offensichtliche Fehlentscheidung“ im Fußball ein sehr breites Spektrum an… ich sag mal „subjektivem Interpretationsspielraum“ bietet, wie die letzten Jahre gezeigt haben. Beim Abseits geht man aber im Normalfall von einer Schwarz/Weiß-Entscheidung aus, die sich (so knapp sie auch sein mag) auflösen lassen sollte. „Sollte“, weil… naja, kommen wir noch zu.

Kalibrierte Linien – wie funktioniert das?

Die Schwierigkeit beim Abseits ist ja, dass bereits bei einem leicht verzerrten Winkel ein ganz anderes Bild entsteht. Wer Spiele im Amateurfußball verfolgt, kann sich ja mal auf Höhe der Strafraumgrenze oder leicht außerhalb platzieren und dann mal gucken, wie oft man mit den Assistent*innen bei den Abseitsentscheidungen übereinstimmt. Hohes Tempo, gegenläufige Bewegungen, die Schwierigkeit des Sichtfeldes bezüglich einem Ball im Mittelfeld und der Bewegung der Spieler*innen vor sich – es ist in der Praxis dann doch deutlich schwieriger, als nach drei Weizenbier vor dem TV mit der Hilfe eines Standbildes.

Solange die Kamera nicht exakt auf Höhe des relevanten Defensivspielers ist, bietet auch das Standbild ja oft genug schon Interpretationsspielraum. Deswegen ziehen TV-Sender dann künstliche Linien, die mal mehr und mal weniger genau und korrekt sind. Zusätzlich stellt sich auch hier die Frage, vom Winkel mal abgesehen, ob diese Linien überhaupt zum richtigen Zeitpunkt gezogen werden. Wie oben beschriebener Regel zu entnehmen ist, geht es um den „den ersten Kontakt beim Spielen […] des Balles“.Auf dem Amateurplatz ist das recht einfach. Da schaut man als Assistent bestmöglich gleichzeitig nach links und geradeaus, hört dann im Idealfall den Kontakt des Balles und macht in dem Moment im Kopf ein Foto – und wenn der Ball dann ankommt, steht eben jemand im Abseits oder nicht und die Fahne geht entsprechend hoch. Der Vorteil: Das kann eh niemand überprüfen. (Außer die Rentner hinter einem, die es eh besser gesehen haben, klar.)

Die Abseitslinie in der DFL wird von einem Computer generiert, die „den Betrachtungswinkel, die Linsenverzerrung und die Feldkrümmung“ berücksichtigt und somit „auf den Millimeter genau“ eine Abseitsstellung bestimmen kann (bundesliga.de). Soweit die Theorie.

Okay, und wo ist dann das Problem?

Das Problem ist, dass man hier in einem Spiel wie Fußball mittels technischer Hilfen eine Lösung finden will, die in einem so komplexen Sport ungewöhnlich und vor allem schwierig ist. Nun kann man bei Abseits mit jener Schwarz/Weiß-Entscheidung argumentieren (warum ich selbst das anders sehe, führe ich später noch aus), aber dann muss diese eben auch verlässlich und nachvollziehbar sein. Anderes Beispiel: Im 100-Meter-Sprint gibt es die Zeitmessung per Computer ab dem Startschuss und bis zum Überschreiten der Ziellinie. Dies lässt sich bis auf die Hundertstelsekunde (und beim Zielfoto sogar noch exakter) genau aufschlüsseln.

Bei der Abseitslinie haben wir hier einen Moment, der ähnlich wie ein Startschuss ist, nämlich der erwähnte erste Kontakt des Balles. Unter anderem Markus Bark (Sportschau) hatte bereits 2019 in einem Artikel auf schwatzgelb.de darauf hingewiesen, dass mit der vorhandenen Technik dieser Moment gar nicht genau genug bestimmt werden könne.Damals waren es noch 24 „frames per second“ (fps), heute sind es in aller Regel 50. Im besten Fall wird der Kickpunkt (wir kommen gleich dazu) mit einer Kamera mit noch besserer Framerate ermittelt, diese bieten aber nicht alle Kameras. Ungenauigkeiten sind also möglich, je nach Geschwindigkeit von Ball und oder Spieler sind zumindest zweistellige Zentimeterwerte möglich – und das ist dann doch eine ganze Menge.

Wir haben Alex Feuerherdt (früher Collinas Erben, aktuell Leiter Kommunikation und Medienarbeit bei der DFB Schiri GmbH) gefragt, wie dieser „Kickpunkt“ bestimmt wird:

„Die Bestimmung des Kickpoints bei einer Abseitsüberprüfung erfolgt nach einem standardisierten Vorgehen, bei dem zuerst mit einer hochauflösenden Kameraeinstellung der möglichst exakte Moment des ersten (und damit relevanten) Impulses auf den Ball festgestellt wird. Hierbei werden drei aufeinander folgende (Bild-)Frames genutzt, die diesen Abspielzeitpunkt fixieren.“Durch dieses Vorgehen lässt sich auf der Basis der vorhandenen technischen Möglichkeiten mit großer Sicherheit der korrekte Abspielzeitpunkt ermitteln. Alex Feuerherdt, DFB Schiri GmbH

Wir werden uns dies gleich genauer anschauen.Wer sich an die letzten großen Nationenturniere der Männer erinnert, hat vielleicht noch die „halbautomatische Abseitstechnologie“ in Erinnerung, wo beispielsweise auch durch einen Chip im Ball der genaue Moment des Abspiels exakt bestimmt werden kann.

„Eine noch genauere Bestimmung ist mit der halbautomatischen Abseitstechnologie möglich, wie sie beispielsweise bei der WM 2022 und der EM 2024 eingesetzt wurde. Derzeit wird bei der DFL bzw. den Profiklubs der Bundesliga und der 2. Bundesliga über die Einführung dieser Technologie auch in Deutschland diskutiert. Es sind die Klubs, die über diese Einführung entscheiden. Die DFB Schiri GmbH ist gewissermaßen nur der Dienstleister.“ Alex Feuerherdt, DFB Schiri GmbH

Bestimmt sind die geizigen Bayern schuld, dass das hier nicht besser läuft. (Kleiner Scherz.)Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass je nach Kamerawinkel auch Spieler verdeckt sein können. So merkte beispielsweise Alexander Blessin nach dem Spiel in Dortmund an:

„Für mich ist nicht klar zu erkennen, wo Emre Can steht. Man kann also keine Linie ziehen. Und wenn es so unklar ist, darf man das Tor auch nicht aberkennen und darf der VAR nicht einschreiten. Can ist auf allen Bildern verdeckt, daher hätte das Tor nach meinem Dafürhalten zählen müssen.“ Alexander Blessin, FC St. Pauli nach dem Spiel in Dortmund (kicker)

Auch dies werden wir uns jetzt genauer anschauen.

Der aberkannte Führungstreffer in Dortmund

Am vergangenen Freitag lief in Dortmund die 30. Minute, als Eric Smith einen Freistoß in den BVB-Strafraum schlug und Morgan Guilavogui die umjubelte Führung für den FC St. Pauli erzielte. Etwa zwei Minuten später nahm Matthias Jöllenbeck nach Hinweis des VAR den Treffer aufgrund von Abseits zurück. Schauen wir in den Kölner Keller, wie es zu dieser Entscheidung kam, wofür uns der DFB freundlicherweise die oben erwähnten Bilder zur Verfügung stellt.

Beginnen wir mit der Bestimmung des Kickpunktes, mit den Ausführungen von Alex Feuerherdt dazu:„Der erste Frame zeigt den Moment, bevor der betreffende Körperteil (im Normalfall der Fuß) unmittelbar am Ball ist.“

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Frame 1 // (c) DFB

„Der zweite Frame hält den Zeitpunkt des ersten relevanten (Abspiel-)Impulses auf den Ball fest, sprich: den maßgeblichen Kontakt.“

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Frame 2 // (c) DFB

„Der dritte Frame ist der Moment, in dem der Ball den Fuß verlassen hat.“

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Frame 3 // (c) DFB Schiri GmbH

Okay… das muss man sich natürlich nun auf deutlich größeren Bildschirmen in besserer Auflösung vorstellen, daher hier nochmal Abspielzeitpunkt und Abseitsstellung von mir vergrößert:

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Abseitsposition Morgan Guilavodui beim Spiel BVB – FC St. Pauli // (c) DFB

Schon hier ist besagtes Problem mit den Frames zu erkennen, oder auch das „Unschärfeproblem“, wie Markus Bark es nannte. Der Frame ist zweifelsohne korrekt oder zumindest bestmöglich gewählt, wie die anderen Frames vorher und nachher zeigen. Der Ball am Fuß von Eric Smith zeigt aber durch die Bewegung schon, dass hier eine gewisse Ungenauigkeit durch die technische Limitierung eingepreist werden muss. Wenn man dann andererseits laufende Spieler bis auf den Millimeter genau beurteilen will, ist dies zumindest schwierig.

Verdeckte Ermittlungen

Tja… und wie ist das denn, wenn jemand verdeckt ist, wie im vorliegenden Fall Emre Can? Was passiert dann?

„Für den Fall, dass sich eine potenzielle Abseitssituation mit dem vorhandenen Bildmaterial und den gegebenen technischen Möglichkeiten nicht auflösen lässt (etwa, weil sich die Positionen des maßgeblichen Abwehrspielers und/oder des maßgeblichen Angreifers nicht bestimmen lassen, weil entscheidende Körperpartien in allen Kameraeinstellungen verdeckt oder nicht im Bild sind), bleibt es grundsätzlich bei der auf dem Feld getroffenen Entscheidung. Denn es lässt sich dann nicht nachweisen, dass diese Entscheidung falsch ist.“ Alex Feuerherdt, DFB Schiri GmbH

Für den DFB ließ sich die Situation allerdings auflösen, gleich mehr dazu.Was man hier natürlich zwingend beachten muss: Der Kamerawinkel verzerrt. Nimmt man nur das obige Standbild, so würde ich beim von Hauke Wahl verdeckten Emre Can zu gleiche Höhe tendieren. Dreht man die Kamera aber gedanklich etwas ein (oder fällt eben technisch das oft beschworene Lot), so ergibt sich ein anderes Bild. Dieses wurde dann auch in der Live-Übertragung auf DAZN sowie beim fcstpauli.tv verwendet:

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Kalibrierte Linie // (c) Screenshot fcstpauli.tv

Was hier aus meiner Sicht zur Verwirrung führt: Die gestrichelte Linie des Defensivspielers führt nicht zu Can. Trotzdem, wenn man die Kamera gedanklich vom Winkel her eindreht, dürfte für ihn die gleiche Position gelten und die Entscheidung korrekt sein.

„Im VAR-Check wird nach Kameraeinstellungen gesucht, in denen sich die Position des betreffenden Spielers bestimmen lässt, das ist auch in diesem Fall (also bei Can) geschehen. Dabei kann es allerdings passieren, dass eine in dieser Einstellung angelegte Linie bzw. ein Lot in einer anderen (synchronen) Kameraeinstellung – die aber ggf. die bessere Überblicksdarstellung ermöglicht – gewissermaßen „durch die Spieler“ läuft. Das kann beim Betrachter für Verwirrung sorgen, wenn man den relevanten Körperteil in dieser Einstellung nicht sieht, weil er in dieser Einstellung verdeckt ist. VAR und AVAR sind dessen ungeachtet im Check zu der Überzeugung gelangt, dass die ausgespielte Markierung am Verteidiger auch diejenige ist, die der Torlinie am nächsten ist.“ Alex Feuerherdt, DFB Schiri GmbH

Alexander Blessin wird hier wohl eher mit „Agree to disagree“ antworten, nehme ich an.Für mich bleibt nach Betrachten aller Bilder das Gefühl, dass die Entscheidung so korrekt war – eine gewisse Restunsicherheit bleibt und ein „The call stands“ wie im American Football wäre für mich hier auch durchaus möglich gewesen. (Dies bedeutet eben, dass man weder die Korrektheit der Entscheidung bestätigen noch das Gegenteil beweisen konnte.)

Der Geist der Regeln

So, nun aber genug mit dem Blödsinn. Ab hier endet die sachliche und verständnisvolle Schilderung, jetzt wird der Artikel zum Kommentar. Oder sogar eher zum Appell: Schafft den Quatsch ab!Und nein, ich meine nicht den VAR, ich beziehe mich nur auf die kalibrierten Linien. Fußball ist kein 100-Meter-Lauf, es geht nicht um Millimeter.

Kurzer Exkurs: Wofür sind die wichtigen Fußballregeln denn da? Warum sind Fouls und Handspiel verboten? Damit man sich dadurch nicht unfair einen Vorteil verschafft. Damit man, wenn man jemanden umtritt, bestraft wird. Man soll den Ball mit Fuß oder Kopf aber eben nicht mit der Hand spielen.Lässt sich hier mittels Kamera ein Vergehen(!) ermitteln, so bin ich großer VAR-Fan und möchte unerlaubte Dinge wie Fouls oder Handspiel auch geahndet wissen.

Wichtig dabei: In aller Regel wissen die handelnden Personen sehr genau, ob sie ein Foul begangen haben oder den Ball mit der Hand gespielt haben – auch wenn sie das natürlich nicht unbedingt freiwillig zugeben und quasi jedem Pfiff empört in die Luft geworfene Arme und ein entsetzter Gesichtsausdruck als Unschuldsbeweis folgen. Umgekehrt weiß ein gefoulter Spieler in den meisten Fällen eben auch, dass er gefoult wurde. Ausnahmen wie die komplexe Handregel oder ein eventuell vor dem Foulkontakt gespielter Ball bestätigen diese Regeln.

„Klare Fehlentscheidungen“ sollen hier korrigiert werden. Ich bin Fan, ich bleibe dabei.Ist mir die konkrete Umsetzung manchmal zu kleinlich? Wird oft zu sehr nach dem Fehler „gesucht“? Mag sein – aber ich schrieb ja schon eingangs: Dies ist kein VAR-Artikel.

Wofür hingegen ist die Abseitsregel da?

Vereinfacht ausgedrückt existiert Abseits, damit niemand da vorne rumsteht und durch die Feldposition einen Vorteil erlangt. Varianten davon gibt es auch in anderen Sportarten wie Eishockey und Football, auch hier mit ähnlichen Zielen, Sportartspezifisch.Übertragen auf den aktuellen Profifußball: Der Stürmer soll nicht näher am Tor stehen als der (vor)letzte Verteidiger.

Der große Unterschied zu Fouls und Handspiel: Mit den kalibrierten Linien und dem Millimetergeschiebe weiß hier meist niemand genau, ob das nun Abseits war oder nicht. Nicht mal die beteiligten Spieler. Man muss bei Situationen wie der hier diskutierten auf die technische Auflösung warten, die noch dazu ihre technischen Ungenauigkeiten hat, wie oben ausgeführt.Man versucht also mittels Technik eine technische Auflösbarkeit herzustellen, die a) nicht wirklich exakt gegeben ist und b) auch noch überhaupt nicht dem eigentlichen Gedanken der Regel folgt.

Denn ob Morgan Guilavogui in der Szene nun fünf Zentimeter vor oder hinter Emre Can war, ist für den konkreten Ausgang der Situation irrelevant. Alles unterhalb eines halben Meters wäre das, wahrscheinlich. Den entscheidenden Vorteil kann man sich natürlich verschaffen, wenn man deutlich vor dem Verteidiger steht. Aber dabei ist es doch egal, ob man dies mit ein paar Zentimetern Schulter oder Fuß oder einem um fünf Zentimetern nach vorne gereckten Knie tut – insbesondere, wenn ein Frame früher oder später die Situation eine gänzlich andere sein kann und ich es technisch gar nicht so exakt aufgelöst bekomme.

Abschaffen! Abschaffen!

Und damit hier nun mein Appell: Schafft die kalibrierten Linien wieder ab.Gebt wieder mehr Verantwortung an die Assistent*innen, denn die machen auf dem Niveau einen herausragenden Job mit einer unfassbar guten Trefferquote. Deren Entscheidung sollte (wie beim Schiedsrichter in Sachen Foul- oder Handspiel) erst einmal stehen – und nur wenn diese sich als eindeutig falsch erweist, kann sie immer noch korrigiert werden.Klar, die Frage „Was ist bei Abseits eindeutig falsch?“ ist eine schwierige, aber wenn man sich den Geist der Regel in Erinnerung ruft, wofür diese erdacht wurde – dann würde ich sagen, dass man eine strafbare Abseitsstellung auch ohne technische Hilfsmittel zweifelsfrei erkennen muss. Ohne kalibrierte Linie, wahrscheinlich sogar ohne Standbild, einfach aus der flüssigen Bewegung heraus.

Fehlertoleranz

In eine ähnliche Richtung argumentierte übrigens UEFA-Präsident Aleksander Ceferin schon mal (Süddeutsche Zeitung, Dezember 2019), der sich für eine gewisse „Fehlertoleranz“ aussprach. Wichtig dabei für mich: Es geht nicht um zehn Zentimeter oder 20 Zentimeter – denn dann würde, wie Claudio Catuogno richtigerweise anmerkt, sich das Problem ja nur verschieben.Es geht darum, die Verantwortung wieder an die Assistent*innen zu übertragen – und dann einen ähnlichen Ermessensspielraum wie beim Foulspiel oder Handspiel für den VAR einzuräumen, eine Fehlertoleranz. Wohlgemerkt nicht für die Assistent*innen selbst, die sollen weiter nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Nur wenn das VAR-Bild dann so klar falsch ist, dass man die Entscheidung nicht als „im Grenzbereich“ stehen lassen kann, sollte diese korrigiert werden. Ohne kalibrierte Linien, im besten Fall sogar ohne Standbild. Mit etwas Spielraum, wie es eben auch bei Foul- und Handspiel passiert.

Wird dann da mal etwas um ein paar Zentimeter „falsch“ entschieden? Ja, klar. Aber diese wenigen Zentimeter im Moment des Ballabspiels sind in den meisten Fällen irrelevant für die danach eintretende Situation. Macht das den Fußball fairer? Zumindest macht es ihn wieder schneller und würde ihm einiges an Glaubwürdigkeit zurückbringen. Eine Zehenspitze im Abseits ist kein Vorteil, der einen solchen (technischen und zeitlichen) Aufwand rechtfertigt.

Und wie geht es weiter?

Die für mich natürlich erschütternde und ernüchternde Wahrheit wird sein, dass der Weltfußball diesen Blog nicht liest und das IFAB mir nicht folgen wird. Kann und muss ich mit leben, ich wollte es aber zumindest einmal zu Papier gebracht haben. Tatsächlich wird es aber wohl in Richtung „halbautomatische Abseitserkennung“ gehen, zumindest in den großen Ligen. Diese wird unter anderem hier bei der FIFA erklärt. Laut Frankfurter Rundschau (unter Berufung auf die Sport-Bild) dürfte dies zur neuen Saison Einzug halten, auch Alex Feuerherdt deutete dies ja im obigen Zitat zumindest schon an.

Sicher ist, so oder so: Die Angst, man würde an Stammtischen nicht mehr trefflich über Entscheidungen im Fußball diskutieren können, dürfte weiterhin unbegründet sein.Über eine konstruktive Diskussion in den Kommentaren zu meinem etwas ungewöhnlichen Vorschlag freue ich mich sehr, vielen Dank.// Maik

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