Celtic, FC St. Pauli, Israel, Palästina | OneFootball

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·20 de outubro de 2024

Celtic, FC St. Pauli, Israel, Palästina

Imagem do artigo:Celtic, FC St. Pauli, Israel, Palästina

Celtic-Fans hinterließen im Gästeblock des Westfalenstadions abstoßende Schmierereien und machten sich über den ermordeten Hersh Goldberg-Polin lustig. Ein Kommentar.Titelfoto: (c) Imago / Claus Bergmann via OneFootball

Es ist klar: Der Nahost-Konflikt wird weder in deutschen noch britischen Fankurven entschieden und gelöst. Langjährige Freundschaften können dort aber beendet werden.


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Wer sich am Freitagabend im Stehplatzbereich des Gästeblocks in Dortmund im unteren Bereich befand, konnte es sehen: Mit schwarzem Edding an die Innenseite des Zauns geschrieben standen verächtliche und abstoßende Äußerungen gegenüber dem von der Hamas ermordeten Fan von Hapoel Jerusalem, Hersh Goldberg-Polin. Hier ein persönlicher Abschiedsgruß der Bremer Gruppe Infamous Youth an Hersh.

„Fuck Hersh“ war dort zu lesen, daneben noch das wahrscheinlich sogar perfidere „Your fear is here – wo ist Hersh“. Daneben unter anderem grün-weiße Sticker mit arabischen Schriftzeichen, übersetzt „Al-Ultras Celtic“.

Das Ende einer langen Freundschaft

Boah, wie sehr ich gar keine Lust auf dieses Thema habe, weil man einfach nichts dabei gewinnen kann und es vor allem den Menschen vor Ort sowieso nicht hilft. Tatsächlich hatte ich letztens noch ein längeres Telefonat mit einem Journalisten zu der Thematik der Überschrift, in dem ich fest behauptete, dass es bei uns eher nichts mehr dazu geben werde. So schnell können sich Dinge ändern.

Stellvertreterscheiße. Passiert im Fußball oft genug. Sie ist in Anbetracht des unendlichen Leids vor Ort hier aber noch sinnloser und bescheuerter als sonst ohnehin schon. Aber es hilft nichts, man muss dann auch mal einen Schlußstrich ziehen. Und auf dem schmalen Grat zwischen „über Scheiße berichten“ und „Scheiße nicht auch noch Aufmerksamkeit zukommen lassen“ habe ich mich dieses Mal für Ersteres entschieden.

Worum geht es?

Um einen unter der Oberfläche wabernden Konflikt zwischen FCSP-Fans im Inland und den Fanclubs im Ausland bzw. den befreundeten Vereinen im Ausland (Celtic, Breda, Bilbao etc.), der über Jahre schwelte und von allen Seiten bestmöglich ignoriert wurde. Hier die Solidarität zu Israel, dort die Solidarität zu Palästina. Hier die Schuld an der Shoah, dort der Blick auf die Unterdrückung durch die Obrigkeit, wie in Irland oder dem Baskenland. Schwieriges Thema, nicht für Schwarz/Weiß-Diskussionen geeignet, zu komplex für schnelle Statements auf Tapeten in Fankurven.

Den Konflikt hat unsere Fanszene nicht exklusiv. Die gesamte Linke hat ihn, teils historisch gewachsen. Die R.A.F. hatte sich in Lagern von Palästinensern ausbilden lassen, im Umfeld der Roten Flora ist der Konflikt immer mal wieder Thema. Anti-Deutsche, Anti-Imps. Israel hat eine faschistische Regierung hier, die Hamas ist eine Terrororganisation dort. Zwischentöne? Oder anerkennen, dass auch beides sein kann? Selten. Und wenn dann im persönlichen Gespräch? Ja. Im Internet? Eher nicht. Auf Tapeten im Stadion? Nahezu unmöglich.Die stark verkürzte Version lautet also: Bist du für Israel oder für Palästina?Die europaweit erstarkende Rechte lacht sich seit einem Jahr kaputt.

Mit dem 7. Oktober 2023 war dieses Thema nicht mehr länger ignorierbar und trat auch rund um den FC St. Pauli offen zu Tage. Mit dem Ergebnis, dass sich einige internationale Fanclubs vom FCSP verabschiedeten. Wir hatten uns dazu am 11. Oktober letzten Jahres kurz und knapp geäußert und so wirklich viel gibt es eigentlich noch immer nicht hinzuzufügen. Und ohne diese Schmierereien wäre es vielleicht einfach dabei geblieben und wir hätten das ausgesessen und einfach nicht mehr über Celtic geschrieben. Hab ich ja auch in dem erwähntem Telefonat so gesagt.

Eins, zwei, drei – die Freundschaft ist vorbei

Meine große Sympathie zu Celtic inklusive vieler persönlicher Bekanntschaften ist kein Geheimnis. Das UEFA-Pokalfinale in Sevilla 2003 wird für immer ein absolutes Highlight für mich bleiben. Ich schaue auch immer noch auf Celtic und freue mich über Siege, insbesondere in Spielen gegen die Rangers. Aber das ist in letzter Zeit schon erheblich abgekühlt. Und Freitagabend kam dann erhebliches Kopfschütteln – oder besser – angeekelte Fassungslosigkeit hinzu, als die eingangs erwähnten Schmierereien im Dortmunder Gästeblock zu sehen waren, in dem zuletzt bekanntlich Celtic zu Gast war. Neben vielen Celtic-Stickern, auch von der Green Brigade. Und natürlich sind mir deren Solidaritäts-Bekundungen für Palästina bekannt, mit dem schmalen und eben auch teilweise überschrittenen Grat zum Antisemitismus. Auch, dass das Thema insbesondere beim Spiel in Dortmund sehr ausgeprägt transportiert wurde. Weil man in Deutschland war? Oder weil man St. Pauli „grüßen“ wollte?

Alles an „unterschiedliche Ansichten“ und „verschiedene Perspektiven“ und so – klar, kommt vor. Mit den Schmierereien aber wurden Grenzen überschritten. Sich über einen von Terroristen ermordeten Fußballfan abwertend zu äußern und sogar lustig zu machen? Eine ehemals befreundete Fanszene mit der Ermordung eines anderen Menschen zu „provozieren“, mit dem Spielplan in der Tasche und der offensichtlichen geplanten Absicht, diesen Gruß zu hinterlassen, für knapp zwei Wochen später anreisende Menschen?Erbärmlich.

Die Fotos der Schmierereien habt Ihr im Zweifel auf Social Media gesehen, ich erspare Euch die Verlinkung und bitte auch darum, in den Kommentaren drauf zu verzichten. Die Scheiße muss man zwei Tage später nicht auch noch unbedingt bildlich weitertragen und schon gar nicht auf dem Medium von Elon Musk. Wer will, wird sie auch so finden.

Wie immer ist es klar, dass auch hier nicht alle Fans eines Vereins gleich ticken. Es gibt bei Celtic (hoffentlich) genug vernünftige Fans, die das ebenso abstoßend und schlimm finden werden wie ich. Und es gibt umgekehrt auch beim FC St. Pauli sicher Fans, mit denen ich zu dem Thema lieber keine tiefere Diskussionen führen möchte.

Fakt aber ist, dass sich niemand wundern sollte, wenn man mit Celtic-Klamotten im Umfeld des Millerntors und des FC St. Pauli nicht mehr ganz so willkommen ist, wie es in der Vergangenheit ganz selbstverständlich der Fall war. Um einen Klassiker der Beziehung zum 1. FC Köln zu zitieren: Eins, zwei, drei – die Freundschaft ist vorbei. So sehr dies viele (auch ich) bedauern mögen.

Rest in power, Hersh!

Persönliche Beziehungen können dies natürlich überdauern, auch klar. Aber das beispielsweise nochmal eine Choreo zu Ehren einer errungenen schottischen Meisterschaft am Millerntor zu sehen sein wird, ist ebenso unwahrscheinlich wie eine erneute „St. Pauli & Celtic“-Party.Einen solch abstoßenden Beleg für dieses Ende hätte es aber nicht bedurft.Rest in power, Hersh.// Maik

P.S. Solche Texte rufen ja oft auch sehr schlaue Leute auf den Plan, die nun den Spiegel vorhalten und Querverweise zur „Schon Eure Groszeltern haben für Dresden gebrannt“-Tapete oder zu Fadenkreuz-Doppelhaltern ziehen wollen. Ich werde das hier nicht ausdiskutieren, aber der Unterschied zu einer in diesem Fall namentlich benannten und tatsächlich ermordeten Person im Vergleich zu einer eher anonymen Gruppe (Groszeltern) bzw. einer lebenden Person ohne konkrete Bedrohungslage (Fadenkreuz), sollte klar sein.

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